Der Amoklauf von Erfurt mit 17 Toten war gerade einmal zwei Tage vergangen, da stellte der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) eine klare...

Der Amoklauf von Erfurt mit 17 Toten war gerade einmal zwei Tage vergangen, da stellte der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) eine klare Forderung: "Ich bin der Meinung, dass jede Schule einen eigenen Schulpsychologen braucht." Sein Appell fand großen Zuspruch - und doch versandete er in kürzester Zeit. Schon ein Jahr nach den Todesschüssen von Erfurt vermeldete der Berufsverband der Deutschen Psychologen: Die Unterversorgung mit staatlichen Schulpsychologen habe sich nur marginal verändert. Zwar seien vereinzelt neue Stellen geschaffen worden, aber im Vergleich zu anderen Ländern sei das immer noch viel zu wenig.

Die damalige Forderung griff CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach nun erneut auf: "Die Themen schulpsychologische Arbeit und Gewaltprävention sind nach so einem Fall mindestens genauso wichtig wie das Thema Waffenrecht", sagte er dem Abendblatt. Für eine politische Bewertung der Tatumstände sei es aber noch zu früh. "Wir müssen zuerst den Sachverhalt vollständig aufklären. Das heißt, sind die Waffen vorschriftsgemäß aufbewahrt worden? Sind Waffen und Patronen getrennt gelagert worden? Wenn nein, wäre das ein klarer Gesetzesverstoß."

Eine erneute Debatte über das Waffenrecht will Bosbach jedoch vorerst vermeiden. "Wir haben das Waffenrecht nach Erfurt weiter verschärft und haben im internationalen Vergleich ein strenges Gesetz."

Die Bluttat von Erfurt traf die Gesellschaft damals bis ins Mark. Politiker verlangten einschneidende Konsequenzen. Der Amoklauf von Erfurt im April 2002 war in der Tat der Auslöser für eine Reihe von Verschärfungen im Waffenrecht, mit denen Politiker solchen Bluttaten entgegenwirken wollten. So wurde damals das Mindestalter für den Waffenkauf von 18 auf 21 Jahre heraufgesetzt. Sogenannte Pumpguns mit Pistolengriff wurden verboten. Als weitere Konsequenz aus der damaligen Bluttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium müssen seither Personen unter 25 Jahren beim Erwerb von Schusswaffen ein medizinisch-psychologisches Zeugnis vorlegen.

Im Oktober des vergangenen Jahres wurden weitere gesetzliche Regelungen verschärft und zum Teil dem EU-Recht angepasst: Der Besitz von Elektroschockern wurde verboten. Einige Waffen und Waffenimitate dürfen zudem in der Öffentlichkeit nur noch in verschlossenen Behältnissen transportiert werden: Dies betrifft Klappmesser und Messer mit fest stehenden Klingen, wenn sie über zwölf Zentimeter lang sind, alle Hieb- und Stoßwaffen wie etwa Teleskopschlagstöcke oder Gummiknüppel sowie alle Arten von Softair-Waffen und Spielzeugwaffen, die wie echte Waffen aussehen. Für scharfe Waffen, die durch technische Veränderungen zu Druckluftwaffen umgebaut worden sind - sogenannte LEP-Waffen - muss eine Waffenbesitzkarte beantragt werden. All das ist kein deutsches Problem, ausgerechnet gestern hat zum Beispiel die finnische Regierung einen Entwurf für eine Gesetzesreform zur Verschärfung des Waffenrechts vorgestellt. Unter anderem soll das Mindestalter für den Besitz von Handfeuerwaffen von 15 auf 20 Jahre heraufgesetzt werden. Doch auch diese Maßnahmen stoßen bei Experten auf Skepsis, denn die größere Gefahr im Alltag bilden die illegalen Waffen. Laut Polizeistatistik sind Schuss-Tatwaffen nur zu zehn Prozent legal im Besitz der Täter.

Ebenfalls nach "Erfurt" auf dem Index der Sicherheitspolitiker: die sogenannten "Killerspiele". Baller-Games für den PC, die auch der Attentäter aus Thüringen spielte. Die Regelungen im Jugendschutzgesetz wurden nur wenige Wochen nach dem Massaker verschärft. Verboten sind die Computerspiele aber nicht - trotz der jahrelangen Debatte, die nach dem Schulattentat von Emsdetten 2006 neuerlich aufflammte. Seit 2003 entscheidet hauptsächlich die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) über die Kind- und Jugendeignung in Form eines Alterssystems, ob ein Spiel jugendgefährdend ist. Nicht nur legale Spiele wie "Empire: Total War" und "World of Warcraft" stehen immer noch hoch im Kurs.