Irak-Wiederaufbau: Deutsche Politik einig: Nach dem Krieg muss die UNO die Führungsrolle übernehmen

Berlin/Washington. Bundesregierung und Union in Deutschland haben die Vereinigten Staaten einhellig vor Alleingängen beim Aufbau einer Nachkriegsordnung im Irak gewarnt. Spitzenpolitiker forderten am Wochenende eine Führungsrolle der Vereinten Nationen (UNO) beim Wiederaufbau des vom Krieg verwüsteten Landes. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte im ZDF, der Aufbau eines demokratischen Irak müsse "unter dem Dach der Vereinten Nationen" geschehen. Die US-Regierung sieht sich allerdings selbst in der Führungsrolle nach Kriegsende. CDU-Chefin Angela Merkel rückte nach Kritik an ihrem pro-amerikanischen Kurs im Irak-Krieg am Sonnabend in Bochum ein wenig davon ab. An die Adresse der USA sagte sie: "Wenn ihr glaubt, dass ihr als einzige Supermacht auf dieser Welt alles alleine regeln könnt, dann werdet ihr scheitern." Die Partei- und Fraktionschefin warnte später im Deutschlandfunk aber davor, den USA in der Debatte über eine Nachkriegsordnung mit Misstrauen zu begegnen. Der Irak berge noch "viele Risiken in sich". Die Garantie der Sicherheit werde deshalb "noch ein Stück weiter" denen obliegen, "die jetzt im Irak kämpfen". Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz (CDU) setzt ebenfalls auf eine starke neue Rolle der UNO. Es könne nicht sein, dass die USA sich nur noch Ad-hoc-Bündnisse zusammensuchten, sagte Merz. "Wir haben die NATO, die UNO - und wir haben einen internationalen Rechtsrahmen, der auch für die USA verbindlich ist." "Es wird politisch schwierig sein, die Nachkriegsordnung aufzubauen, denn natürlich ist neben den direkten Opfern auch viel in Frage gestellt worden", sagte Schröder. Die UNO verfügten über eine "zureichende Legitimation" und genössen das Vertrauen der Menschen vor Ort. Verteidigungsminister Peter Struck wurde deutlicher. "Wenn das Land nicht von der UNO wieder aufgebaut wird, sehe ich keine primäre Verantwortung Deutschlands", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Wenn es zuträfe, dass US-Unternehmen schon für den Aufbau ausgesucht worden seien, sei er "erst recht der Auffassung, dass der Aufbau auch von US-Militär abgesichert wird". Meldungen, die Bundeswehr plane bereits die Entsendung von 1500 Soldaten für eine UNO-Blauhelm-Mission nach dem Krieg, dementierte Struck. Schröder schloss die Entsendung deutscher Blauhelm-Soldaten zwar nicht aus. Er betonte aber, für eine Entscheidung darüber sei es noch zu früh. Die USA sieht sich hingegen in der Führungsrolle bei einem Aufbau des Irak. Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, sagte: "Es ist nur natürlich zu erwarten, dass die alliierten Kräfte die leitende Rolle haben werden, nachdem sie sich an der Befreiung des Irak beteiligt und dafür Leben und Blut geopfert haben." Darin wurde sie unterstützt von dem stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz. Der Aufbau des Nachkriegs-Irak solle "in der Anfangsphase" von den Alliierten geleitet werden. Ziel sei es dann, möglichst rasch die Verantwortung in die Hände der irakischen Bevölkerung selbst zu legen. Der UNO sprach der Vizeminister keine führende, aber eine "wichtige Rolle" im Irak zu. Er bezog sich dabei auf die Versorgung der Bevölkerung. Schon in wenigen Tagen wollen die USA offenbar Pläne zum Aufbau der Zivilregierung im Irak vorlegen. Aus US-Regierungskreisen hieß es, jedes Ministerium solle von einem US-Vertreter geführt werden, dem jeweils vier irakische Berater zur Seite gestellt werden sollen. Der Wiederaufbau wird auch Bush und den britischen Regierungschef Tony Blair bei ihrem heutigen Treffen in Belfast beschäftigen.