Institution: Seit 1955 werden alle gefallenen US-Soldaten zunächst nach Dover in Delaware gebracht

Dover. Wenn man auf dem Highway 8 nach Downtown Dover fährt, grüßt einen eine Flut von gelben Schleifen, die um Bäume und Telegrafenmasten gebunden sind. Es ist das sichtbare Zeichen, dass die Menschen in der Hauptstadt des kleinen US-Staates Delaware hinter ihren Truppen im Irak stehen und für deren sichere Rückkehr beten. Es gibt wenige Städte in den USA, die einen so hohen Bekanntheitsgrad haben wie das pittoreske Dover. Das liegt jedoch weniger an Architektur oder Kultur, sondern daran, dass für die meisten Amerikaner der Name Dover im gleichen Atemzug mit "bodybags", Leichensäcken, genannt wird. Denn auf der hier beheimateten Luftwaffenbasis befindet sich die einzige militärische Leichenhalle des amerikanischen Festlandes. Hier werden seit 1955 alle Gefallenen oder bei Unfällen umgekommenen Militärs identifiziert, obduziert und für die Bestattung hergerichtet. Hier auf der Dover Air Force Base landeten Zehntausende von jungen US-Soldaten, die in Vietnam ihr Leben ließen. Hierher kamen die Opfer des ersten Golfkrieges, des Anschlages auf das amerikanische Kriegsschiff "USS Cole" oder alle 188 Personen, die am 11. September 2001 beim Terroranschlag auf das Pentagon starben. Zuletzt wurden hier im beschaulichen Dover die sterblichen Überreste der sieben Astronauten der Columbia-Katastrophe identifiziert. Etwa drei Kilometer entfernt vom Stadtzentrum, im "Charles C. Carson Center for Mortuary Affairs", dem Beerdigungsinstitut der Dover Air Force Base, assoziieren die dort arbeitenden GIs nicht morbides Grauen, sondern vaterländischen Stolz mit der Institution. Seit 1955 wurden fast 60 000 tote US-Soldaten hierher gebracht. Bis zu 100 Gefallene können pro Tag obduziert, einbalsamiert und für den Weitertransport an ihren endgültigen Bestimmungsort fertig gemacht werden. In Kühlräumen ist Platz für weitere 1000 Leichen. "Es ist eine sehr ehrenwerte Aufgabe, und wir sind stolz auf diesen letzten Dienst an unseren Kameraden", erklärt William Zwicharowski, der Direktor der Leichenhalle. Der Mann, der früher selbst bei den Marines kämpfte, hat sofort nach Beginn des Krieges im Irak 58 Reservisten aus allen Landesteilen zum Dienst im Beerdigungsinstitut angefordert. Weitere 160 stehen auf Abruf bereit. Die nicht medizinisch ausgebildeten Soldaten gehen den Ärzten und FBI-Beamten zur Hand. Neulinge werden in einem dreitägigen Kurs auf ihren Dienst vorbereitet. Leutnant Cathy Milkon gesteht, dass sie trotz dieser Vorbereitung schockiert war, als sie bei der Autopsie des ersten gefallenen US-Soldaten dieses Krieges helfen musste. "Einen Toten vor dir liegen zu sehen, der die gleiche Uniform trägt wie du selbst, ist brutal. Das ist so, als wäre es ein Familienangehöriger", erzählt die 29-jährige Mutter von zwei Töchtern. Avon Bryant, Stabsfeldwebel der Reserve, der mit Milkon arbeitet, reflektiert etwas abgeklärter. "Wenn man dort an Kameraden arbeitet, die so alt sind wie man selbst oder jünger, kommt man natürlich leicht ins Grübeln", sinniert der 35-Jährige, der seit 15 Jahren immer wieder nach Dover kommt, wenn man ihn ruft. Bryant war dabei, als am 25. März um 2 Uhr früh eine C-16 mit 17 toten US-Soldaten aus dem Irak in Dover landete. Er weiß, dass es bei der Ankunft keine offizielle Zeremonie gibt, da Dover nur als Durchgangsstelle zur letzten Ruhestätte angesehen wird. Viele Male hat der Afroamerikaner gesehen, wie nach der Landung zuerst ein Pfarrer an Bord geht, um die Toten zu segnen. Anschließend drapieren Soldaten eine US-Flagge über dem Aluminiumsarg, in dem die Gefallenen in Plastikleichensäcken liegen. Jeder Sarg bekommt eine Nummer, bevor er vom Flugzeug ins etwa 250 Meter entfernte Beerdigungsinstitut gebracht wird. In dem etwas marode wirkenden Ziegelbau, der über eine Gesamtfläche von etwa 3000 Quadratmetern verfügt, werden die Opfer zuerst geröntgt und auf chemische oder biologische Kampfstoffe untersucht. Bryant: "Die Aufnahmen zeigen zum einen, ob nicht noch explosive Teile im Körper sind, die entschärft werden müssen, aber sie helfen zum anderen natürlich auch bei der Identifizierung." Direktor Zwicharowski achtet sehr genau darauf, dass jeder Gefallene den Angehörigen im bestmöglichen Erscheinungsbild übergeben wird. "Es gibt nichts Sensibleres auf der Welt als die Heimkehr eines geliebten Menschen", erklärt der Mann, den sie hier alle "Zwiggy" nennen. Air-Force-Major Jeff Yokum, der seit einem Jahr in Dover ist, gibt zu, dass die Arbeit ihn und viele seiner Kollegen "oft psychisch stark belastet". Für diese Art von Stress-Management ist immer ein Geistlicher in der Nähe. Cathy Milkon bestätigt das. Dennoch sagt sie, die zurzeit hilft, Tote einzukleiden und für den Weitertransport herzurichten: "Ich habe das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, einen ernsthaften Beitrag für mein Land zu leisten, indem ich meinen gefallenen Kameraden helfe, nach Hause zu kommen."