Die schlimmsten Befürchtungen wurden noch übertroffen. Die schwache Hoffnung der Sozialdemokraten, die Wahlforscher lägen mit ihren Umfragen falsch, erfüllte sich nicht. Und es ging auch der Versuch daneben, sich mit dem Irak-Thema noch einmal über die Runden zu retten

Berlin. Der 2. Februar bedeutet auch für die größte Regierungspartei in Berlin eine Katastrophe. Der in seinem Ausmaß für die SPD demütigende doppelte Paukenschlag vom Sonntag kam nach dem massiven Vertrauensverlust seit der knapp gewonnenen Bundestagswahl zwar nicht unerwartet. Trotzdem ging Kanzler Gerhard Schröder (SPD) der fast beispiellose Absturz der bundesweit letzten SPD-Alleinregierung in seinem Stammland Niedersachsen besonders nahe. Auch Schröder erhielt am Sonntag von den Wählern die Quittung für den rot-grünen Zickzack-Kurs der ersten 100 Tage seiner zweiten Amtszeit. Ob er sich von diesem Tiefschlag noch einmal richtig erholen kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Selbst wenn er vorerst weiter sicher im Sattel sitzen dürfte, lauern auf den Kanzler diverse Gefahren. Und mit einiger Sicherheit liegt jetzt die schwerste Zeit als Regierungschef vor ihm. Zu schultern sind nicht nur ein drohender Krieg, eine Wirtschaftskrise und eine dramatische Schuldenlast. Ab sofort spricht zudem die Union mit ihrer erdrückenden Mehrheit im Bundesrat bei fast allen Entscheidungen ein wichtiges Wort mit. Bislang hat Schröder seine Absichten nach den Wahlen eher im Dunkeln gelassen. Ob er tatsächlich vorhat, sich nun als strammer Modernisierer in Szene zu setzen und seinem Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) beim forschen Sozialumbau freie Hand zu geben, bleibt abzuwarten. Im Kanzleramt sieht man jedenfalls auch Vorteile in den neuen Verhältnissen. Der ständige Zwang zum Zusammenspiel mit der Union könne es sogar leichter machen, Widerstände in der SPD-Fraktion zu knacken, lautet das Kalkül. Doch der starke gewerkschaftnahe Flügel, der Clements Aktivitäten ohnehin zunehmend misstraut, dürfte sich nicht einfach geschlagen geben. Deshalb ist in den kommenden Tagen mit offenen Richtungskämpfen und massiven internen Debatten zu rechnen. Dieser Streit dürfte auch Auswirkungen auf Schröders Autorität in den eigenen Reihen haben. Was Schröders politische Zukunft angeht, wird in der SPD-Spitze aber nach diesem Wahlsonntag mit wachsender Sorge die Zuspitzung in Sachen Irak registriert. Nicht wenige glauben inzwischen, dass der Kanzler genau weiß, in welcher heiklen Lage er eigentlich steckt. Spätestens bei der endgültigen Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über eine weitere Irak-Resolution könnte dies in einigen Wochen spektakulär werden. Sein Schicksal hat Schröder jedenfalls auch mit dem eher unsicheren Nein Frankreichs zu einem Krieg verknüpft. Schwenkt Paris noch um, wäre Berlin tatsächlich weitgehend isoliert. In der SPD wird es dann für möglich gehalten, dass der Kanzler aus Gründen der Glaubwürdigkeit bei seinem Nein bleibt, dann aber zurücktritt, um für einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen zu sorgen. Denn dass sich zwischen ihm und US-Präsident George W. Bush noch einmal ein unbefangenes Arbeitsklima entwickelt, daran dürfte auch Schröder selbst nicht mehr richtig glauben.