SPD, Grüne, VdK und Arbeitgeber kritisieren die Pflegepläne der Koalition. Lauterbach hält sie für „klassischen FDP-Lobbyismus“.

Berlin. Am Koalitionsbeschluss zur privaten Pflegevorsorge hagelt es Kritik von Opposition und Sozialverbänden. „Das ist eine Verschwendung von Steuermitteln. Da wird eine Nullrendite mit hohen Verwaltungskosten bezuschusst“, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstagausgabe). Es handele sich um „klassischen FDP-Lobbyismus zugunsten der Versicherungswirtschaft“, sagte Lauterbach.

Grünen-Chef Cem Özdemir monierte, mit der geplanten Förderung privater Pflege-Vorsorgeverträge betreibe die Regierung „unverhohlen Klientelpolitik“. Statt einer Privatisierung der Pflegeversicherung forderte er im im Abendblatt „einen Einstieg in eine solidarische Pflege-Bürgerversicherung , in die alle Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen“.

Özdemir bezeichnete das Ergebnis des Spitzentreffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler als „faulen Kompromiss“. Damit die FDP Ja sage zum umstrittenen Betreuungsgeld, bekomme sie die Förderung der privaten Pflegeversicherung. „Das ist Koalieren nach dem Motto: Für jeden etwas – egal, was es kostet.“

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Auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, kritisierte in der „Passauer Neuen Presse“: „Die Pflegeversicherung ist das ungeeignetste Objekt für private Vorsorge.“ Damit die Versicherung bei Pflegebedürftigkeit tatsächlich Lücken schließen könne, müssten sehr hohe Beiträge eingezahlt werden. Geringverdiener könnten sie auch mit staatlicher Hilfe nicht aufbringen. „Es ist sinnvoller, die Pflegeversicherungsbeiträge zu erhöhen“, forderte die VdK-Präsidentin.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte die geplante Geldleistung ebenfalls. „Ich appelliere an die Koalition, vom Betreuungsgeld Abstand zu nehmen. Es gefährdet wichtige Ziele der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Haushaltspolitik“, sagte Hundt der selben Zeitung. „Das Betreuungsgeld schafft einen Anreiz, sich aus dem Beruf zurückzuziehen.“ Das Problem des Fachkräftemangels werde dadurch weiter verschärft.

Die Politik solle vielmehr alles unternehmen, damit Frauen Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren könnten. „Das Betreuungsgeld ist bildungspolitisch falsch: Es ist insbesondere nicht im Interesse der Kinder, die frühzeitige intensive Förderung benötigen“, sagte Hundt.

Bürger, die eine private Pflege-Zusatzversicherung abschließen, sollen dazu künftig einen Zuschuss von monatlich fünf Euro erhalten, unabhängig vom Einkommen. Darauf einigten sich die Spitzen von CDU, CSU und FDP am Montag in Berlin.

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Vertreter von Union und FDP begrüßten die Beschlüsse dagegen am Dienstag als Einstieg in mehr private Eigenvorsorge. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle lobte den Kompromiss im Deutschlandfunk. Damit schließe man eine Lücke zwischen tatsächlichen Pflegekosten und dem durch die gesetzliche Pflegeversicherung abgesicherten Anteil, sagte er. Die Bundesregierung wolle damit zeigen, dass sie auch die privaten Anstrengungen zur Vorsorge belohnen und Anreize zur stärkeren Eigenvorsorge setzen wolle.

Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte der „Rheinischen Post“, mit dem sogenannten Pflege-Riester erhielten auch Geringverdiener eine Chance vorzusorgen. Er kündigte an, dass die private Pflegevorsorge noch im laufenden Verfahren zur Pflegereform ins Parlament eingebracht werden soll. Sie soll dann gleichzeitig mit der Pflegereform zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Bundeskanzlerin Merkel hatte sich beim Koalitionsgipfel mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler darauf geeinigt, künftig Bürger, die eine private Pflege-Zusatzversicherung abschließen, zu bezuschussen. Der Zuschuss von monatlich fünf Euro soll unabhängig vom Einkommen gezahlt werden.

Oppositionspolitiker und der Sozialverband VdK kritisierten den Koalitionsbeschluss dagegen. Es handele sich um „klassischen FDP-Lobbyismus zugunsten der Versicherungswirtschaft“, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der „Passauer Neuen Presse“. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir sprach von „unverhohlener Klientelpolitik“ durch eine Privatisierung der Pflegeversicherung. Im „Hamburger Abendblatt“ forderte er stattdessen einen Einstieg in eine solidarische Pflege-Bürgerversicherung, in die alle Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen“. (epd/dapd/dpa)