Wie der “Focus“ berichtet soll die Polizei nach einem der NSU-Morde 2006 Hinweise auf rechtsradikale Täter erhalten, aber nicht weitergeleitet haben.

Dortmund/Karlsruhe. Die Polizei soll laut "Focus“ nach einem der NSU-Morde 2006 Hinweise auf rechtsradikale Täter erhalten, diese aber nicht weiter verfolgt haben. Nach der Ermordung eines Kiosk-Betreibers in Dortmund habe eine Zeugin zwei Verdächtige beobachtet und einen als "ein Junkie oder ein Nazi“ beschrieben, berichtet das Magazin unter Berufung auf interne Polizeiakten zu den Taten der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). In einem weiteren Polizeivermerk heißt es demnach: "Die Männer sollen wie Rechtsradikale ausgesehen haben.“ Dieser Teil der Zeugenaussage sei aber nicht an die zentrale Ermittlungseinheit "Bosporus“ aus Bayern gemeldet worden, obwohl die Zeugin als glaubwürdig eingestuft worden sei.

Die Dortmunder Polizei wies die Vorwürfe zurück. In Aktenvermerken der damaligen Mordkommission "Kiosk“ sei dokumentiert worden, dass die Zeugin die beiden Personen vom Erscheinungsbild her als betrunkene Junkies oder Nazis beschrieben habe. Darauf hin sei eine Öffentlichkeitsfahndung mit Phantombild eingeleitet worden. "Diese Vermerke sind Gegenstand der Ermittlungsakte, die in vollem Umfang der BAO (Besondere Aufbauorganisation) "Bosporus“ und damit allen von der Mordserie betroffenen Strafverfolgungsbehörden zugänglich war“, teilte die Polizei mit. Da dieser Spur eine besondere Bedeutung zugemessen worden sei, sei sie auch Gegenstand von Besprechungen der BAO Bosporus gewesen.

Ein damals leitender Beamter der "Bosporus“-Einheit sagte dem "Focus“: Hätte man den Hinweis 2006 aus Dortmund erhalten, "wären wir unserer Hypothese von rechtsextremistischen Tätern mit Sicherheit stärker nachgegangen“. Die Bayern hatten diese Hypothese nach heutiger Darstellung mangels Spuren nicht weiter verfolgt.

Die Bundesanwaltschaft wollte mit Blick auf die sich mit den Ermittlungen befassenden Untersuchungsausschüsse keine Stellungnahme abgeben.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), will die Ermittlungsbehörden per Gesetz zur Zusammenarbeit verpflichten. "Bisher beruht die Zusammenarbeit meist auf Kann-Bestimmungen“, sagte Edathy der "Thüringer Allgemeinen“. Im Zusammenhang mit der jahrelang unaufgeklärt gebliebenen Mordserie der NSU waren die Ermittlungsbehörden auch wegen mangelnder Abstimmung in die Kritik geraten. Den Neonazis wird neben den Morden an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern auch der Mord an einer Polizistin angelastet. (abendblatt.de/dpa)