Die Bundesanwaltschaft hob am Dienstag die Haftbefehle gegen Carsten S. und Matthias D. auf. Sie sollen NSU-Unterstützer gewesen sein. Gegen alle Freigelassenen ermittelt die Bundesanwaltschaft aber weiter. Sie müssen mit einer Anklage rechnen.

Karlsruhe. Zwei weitere mutmaßliche Unterstützer der rechtsradikalen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) sind wieder auf freiem Fuß. Die Bundesanwaltschaft ordnete am Dienstag die Freilassung von Carsten S. und Matthias D. an. Bei Carsten S. bestehe keine Fluchtgefahr mehr, teilte die Behörde als Begründung mit. Die gegen Matthias D. vorliegenden Verdachtsmomente rechtfertigten zudem keine Untersuchungshaft mehr. Erst am Freitag hatte der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen den mutmaßlichen NSU-Unterstützer Holger G. mangels dringendem Tatverdacht aufgehoben. Damit sind mittlerweile drei von fünf inhaftierten NSU-Verdächtigen wieder auf freiem Fuß.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem jetzt freigelassenen Carsten S. neben der Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU Beihilfe zum Mord vor. Den Ermittlungen zufolge soll er der Gruppe zusammen mit dem Verdächtigen Ralf W. die Tatwaffe zu neun Morden beschafft haben. Der Beschuldigte habe sich jedoch ausführlich zum Tatvorwurf eingelassen und entscheidend zur Tataufklärung beigetragen, teilte die Behörde nun mit. Er habe sich glaubhaft vom rechtsradikalem Gedankengut abgewandt und seit 2001 keine Kontakte mehr zur rechtsextremen Szene gehabt. Aufgrund seiner festen sozialen Bindungen bestehe keine Fluchtgefahr mehr. Zudem sei für ihn wahrscheinlich Jugendstrafrecht anzuwenden.

Der mutmaßliche Unterstützer Matthias D. soll der Gruppe demnach zwei Wohnungen in Zwickau zur Verfügung gestellt haben. Nach den Vorgaben des BGH bei der Freilassung von Holger G. steht sein Wissen um die NSU-Taten jedoch in Frage.

Zum NSU gehörten neben den verstorbenen Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auch Beate Zschäpe an. Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe Mord an neun Kleinunternehmern ausländischer Herkunft sowie an einer Polizeibeamtin vor. Böhnhardt und Mundlos hatten sich vergangenen November nach einem Banküberfall das Leben genommen.

Neben Zschäpe sind derzeit noch Ralf W. und Andre E. in Haft. Gegen sie läuft derzeit eine Haftprüfung beim BGH. Gegen Zschäpe will die Behörde früheren Angaben zufolge noch diesen Herbst Anklage erheben.

Das Neonazi-Trio und seine mutmaßlichen Helfer

TOTE TATVERDÄCHTIGE

UWE MUNDLOS: Der Professorensohn gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Es heißt, er habe gern gelesen und diskutiert. Plumpe Neonazi-Parolen sollen ihm fremd gewesen sein. Am 4. November 2011 tötete sich der 38-Jährige selbst in einem Wohnmobil – wohl, um der drohenden Festnahme nach einem Banküberfall zu entgehen.

UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige soll ein Waffennarr gewesen sein, der gerne zuschlug. Er wird als Handlanger von Mundlos beschrieben – mit kurz geschorenem Haar, Bomberjacke und Springerstiefeln. Auch er wurde am 4. November tot in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wohl von Mundlos erschossen.

TATVERDÄCHTIGE IN HAFT

BEATE ZSCHÄPE: Die inzwischen 37-Jährige soll die stille Frau im Hintergrund der Gruppe gewesen sein. Die gelernte Gärtnerin wuchs alleine bei ihrer Mutter auf. Sie soll zunächst eine Beziehung mit Mundlos, dann mit Böhnhardt gehabt haben. 1998 tauchte sie mit den beiden unter. Nach dem Tod ihrer beiden Komplizen zündete sie die gemeinsame Wohnung an. Zschäpe stellte sich ein paar Tage später der Polizei. Bislang schweigt sie.

ANDRE E.: Der Sachse soll ein Propagandavideo für die mutmaßlichen Terroristen angefertigt und darin deren Morde verherrlicht haben. Als Produzent des Films müsse er ihre Gesinnung geteilt haben, wirft ihm der Generalbundesanwalt vor. Der Inhaber einer Medienfirma wurde am 24. November in Brandenburg bei seinem Zwillingsbruder festgenommen.

RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige NPD-Funktionär gilt als eine der zentralen Figuren in Thüringens Neonazi-Szene. 1999 trat er in die NPD ein, wurde Kreis- und Vize-Landesvorsitzender. Wohlleben galt als wichtiges Bindeglied zwischen der NPD und gewaltbereiten Neonazis. Er soll dem Trio eine Waffe und Munition besorgt, ihm bei der Flucht in den Untergrund geholfen haben. Er wurde am 29. November in Jena festgenommen.

FREIGELASSENE TATVERDÄCHTIGE

HOLGER G.: In den 90er Jahren war er in Jena mit dem Trio befreundet und in der dortigen Neonazi-Szene aktiv. Später zog er nach Niedersachsen. Er hat zugegeben, dass er dem Trio eine Waffe sowie Papiere besorgt hat. Am 13. November 2011 wurde er als erster mutmaßlicher Unterstützer festgenommen – und kam am 25. Mai 2012 als erster wieder frei.

MATTHIAS D.: Der Mann aus dem sächsischen Erzgebirgskreis wird verdächtigt, für das Neonazi-Trio nach dessen Untertauchen zwei Wohnungen in Zwickau angemietet zu haben. Dadurch habe er es den NSU-Mitgliedern ermöglicht, ein Leben unter falscher Identität zu führen und unentdeckt die Terroranschläge zu verüben, wirft ihm die Bundesanwaltschaft vor. Er wurde am 11. Dezember 2011 festgenommen. Am 29. Mai ordnete die Bundesanwaltschaft die Freilassung an. Der Verdacht gegen ihn begründe keine Untersuchungshaft mehr, hieß es.

CARSTEN S. wurde am 1. Februar in Düsseldorf festgenommen und hat dem Trio nach eigenen Angaben eine Ceska-Pistole mit Schalldämpfer geliefert – die Waffe, die bei den Morden an neun türkischen und griechischen Kleinunternehmern verwendet wurde. Auch seine Freilassung wurde am 29. Mai angeordnet. Es bestehe keine Fluchtgefahr mehr – S. habe sich glaubhaft vom rechtsradikalen Gedankengut abgewandt und umfassend zum Tatvorwurf eingelassen.

Gegen alle drei Freigelassenen ermittelt die Bundesanwaltschaft aber weiter. Sie müssen mit einer Anklage rechnen.

Mit Material von rtr und dpa