Seehofer droht mit einer Rückkehr zu einem eigenen staatlichen Energieversorger, wenn die Koalition in Berlin nicht zu schnellen Lösungen komme. „Dann gründen wir ein Bayernwerk“, sagte der CSU-Chef.

Berlin/München. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer stellt die bisherigen Vereinbarungen zum Atomausstieg in Bayern noch einmal auf den Prüfstand. In einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochausgabe) zeigte sich Seehofer vor dem für den heutigen Mittwoch geplanten Berliner Energiegipfel unzufrieden mit der bisherigen Bilanz der Koalition beim Atomausstieg und kündigte bayerische Sonderwege an.

So drohte Seehofer mit einer Rückkehr zu einem eigenen staatlichen Energieversorger, wenn die Koalition in Berlin nicht zu schnellen Lösungen komme. „Dann gründen wir ein Bayernwerk“, sagte der CSU-Chef. Zwar seien ihm marktwirtschaftliche Lösungen lieber, aber staatliche auch denkbar, betonte Seehofer, der vor allem den Stillstand beim Bau neuer Gaskraftwerke kritisierte.

Das würde eine Rückkehr zur Stromwirtschaft bedeuten, wie sie vor der Privatisierungspolitik von Ministerpräsident Edmund Stoiber bestanden hatte. Damals ging das traditionsreiche Bayernwerk bei einer Großfusion im damals neuen Energieversorger Eon auf. Seehofer kritisierte vor allem den Stillstand beim Bau neuer Gaskraftwerke. Die Energiewirtschaft wartet auf Förderzusagen. Bayern will dem Bericht zufolge mit bis zu fünf Gaskraftwerken einen Großteil der Stromlücke schließen, die sich nach dem Abschalten der bestehenden Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 ergibt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will heute mit den 16 Ministerpräsidenten der Länder über die Probleme bei der Umsetzung der Energiewende beraten. Auf der Tagesordnung im Kanzleramt stehen der stockende Stromnetzausbau, die fehlenden Investitionen in neue Gaskraftwerke als Ersatz für die wegfallenden Atomkraftwerke und ein drohendes Ausufern der Kosten für die Bürger. Zudem soll über weitere Maßnahmen zum Energiesparen gesprochen werden, etwa im Bereich Gebäudesanierung.

An dem Energiegipfel nimmt auch der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) teil, der am Dienstag als Nachfolger von Norbert Röttgen sein Amt angetreten hatte. CDU-Vize Röttgen war von Merkel nach der schweren CDU-Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen entlassen worden. Ebenfalls im Kanzleramt dabei sind unter anderem Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bauminister Peter Ramsauer (CSU).

Der Termin für das von Seehofer verlangte Treffen der schwarz-gelben Parteivorsitzenden ist indes nach wie vor offen. Das erfuhr die dpa am Dienstag in Berlin. Zuvor war gerätselt worden, ob sich Bundeskanzlerin Merkel noch am Abend mit Seehofer und Rösler treffen könnte. Die Kanzlerin war erst am frühen Morgen von einer mehrtägigen USA-Reise zurückgekehrt.

Seehofer hatte ein Dreiertreffen mit Merkel und Rösler nach dem Desaster der großen Schwesterpartei CDU und ihres Spitzenkandidaten Norbert Röttgen bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl vor einer Woche verlangt. Falls Schwarz-Gelb keine Konsequenzen aus dem Wahlfiasko ziehe, sei ein Erfolg bei der Bundestagswahl 2013 gefährdet. Bei dem Gespräch soll nach Seehofers Wunsch der Fahrplan für die Umsetzung wichtiger Entscheidungen der Bundesregierung bis zur Sommerpause des Bundestages verabredet werden.

Schon vor der NRW-Wahl hatte Seehofer mit dem Boykott von Spitzentreffen der Koalition gedroht, falls nicht endlich das von Schwarz-Gelb beschlossene Betreuungsgeld umgesetzt wird. Es soll an Eltern gezahlt werden, die ihre Kleinkinder Zuhause erziehen. Das Betreuungsgeld ist ein Lieblingsprojekt Seehofers, es wird aber unter anderem von den CDU-Frauen und auch in der FDP abgelehnt.

Am Mittwoch geht es aber allein um Energie. Seit Wochen mehren sich die Äußerungen aus Wirtschaft und Industrie, dass die Energiewende dringend eines klaren Fahrplans und einer besseren Koordinierung bedürfe, zudem fehlt bisher eine Abstimmung der Energiekonzepte von Bund und Ländern. Hinzu kommt der ungelöste Streit um die Solarförderung, deren Kosten die Bürger über den Strompreis zu zahlen haben. Als ein Modell zur Entlastung der Bürger wird auch über eine Senkung der Stromsteuer nachgedacht.

Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur, forderte von Altmaier einen rasche Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. „Der Bau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen wird durch hohe Einspeisevergütungen für die Betreiber forciert, ohne zu fragen, in welchem Umfang wir die Anlagen überhaupt brauchen“, sagte Kohler der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch). Er bezeichnete es als wichtigsten Punkt, das Gesetz „mit energiewirtschaftlichen Steuerungselementen“ zu versehen.

Mit Material von dapd und dpa