Überleben als “gemeinsame Partei“ sei nur bei Lösung der Führungsfrage möglich. Ernst verteidigt eine mögliche Kandidatur von Lafontaine.

Berlin. Im Streit der Linkspartei um die neuen Vorsitzenden hat Parteichef Klaus Ernst führende Linken-Politiker zur Ordnung gerufen. Ernst sagte dem Abendblatt, an einem Kompromiss führe kein Weg vorbei, "wenn wir als gemeinsame Partei überleben wollen".Eine zweite Chance werde die Linke weder im Osten noch im Westen bekommen, mahnte er. "Es gibt kein Zurück." Die letzten Jahre hätten eindrucksvoll bewiesen, "dass wir nach außen nur dann glaubwürdig für Solidarität werben können, wenn wir sie auch nach innen leben".

Der Parteivorsitzende verteidigte die mögliche Kandidatur des früheren Linken-Vorsitzenden Oskar Lafontaine gegen Kritik. Menschen würden nicht recycelt. "Und wenn Oskar Lafontaine zu einer Kandidatur bereit ist, dann ist das ein Angebot und keine Unterwerfung", stellte Ernst klar. Im Moment seien bei der Linken einige mit hohem Risiko unterwegs, betonte Ernst. Er missbillige die verletzende Wortwahl in einigen Statements ausdrücklich.

+++ Streit um Führungsspitze - Ernst sieht Mehrheit für Lafontaine +++

Ernst sagte weiter: "Jeder sollte sich bei seinen Äußerungen überlegen, ob er über den aufgerissenen Graben auch noch zurückspringen kann. Verbale Eskalationsstrategien führen weder zu Lösungen noch zu tragfähigen Mehrheiten." Zuvor hatte der Linken-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, Lafontaines Verhalten als "kein Angebot, sondern die Forderung nach völliger Unterordnung" bezeichnet.

Der Fraktionsvize Dietmar Bartsch steht zugleich unter Druck, für Lafontaine seine Kandidatur für den Parteivorsitz aufzugeben. Der Parteitag der Linken wählt am ersten Juni-Wochenende eine neue Führung.

Außer übers Personal streitet sich die Linke jetzt auch noch über ihr Programm. Die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung" berichtete, der Reformflügel habe zum Parteitag am2. und 3. Juni in Göttingen einen alternativen Leitantrag eingebracht, der bisher 200 Unterstützer gefunden habe. Darin werde beklagt, dass die Linke hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Der Verlust an Attraktivität und Rückhalt bei den Menschen sei noch wesentlich besorgniserregender als das Ausscheiden aus Parlamenten.

Beklagt werden dem Blatt zufolge "aufkeimende Dogmatismen" und ein Mangel an Streitkultur. "Das Wort hinter vorgehaltener Hand ist ehrlicher geworden als die Reden und Beiträge auf Parteitagen und/oder in Versammlungen", zitierte die Zeitung aus dem Leitantrag. Viele Mitglieder hätten die Partei verlassen oder seien einfach nicht mehr erreichbar. Die Devisen "Kurs halten" oder "Weiter so" könnten nicht mehr gelten. (kam)