Künftiger FDP-Chef macht keine Personalvorschläge. Weiter Streit um Brüderle. Kampfabstimmungen beim Parteitag vom 13. bis 15. Mai erwartet.

Berlin. Philipp Rösler will sich Zeit lassen. Wider Erwarten stellte der designierte FDP-Chef gestern kein eigenes Tableau für sein Führungsteam vor, sondern nahm nur Kandidaturen entgegen. Damit bleibt die Frage, wer seine drei Stellvertreter werden, weiter offen. Nun läuft alles auf Kampfabstimmungen beim Parteitag vom 13. bis 15. Mai in Rostock hinaus. Es droht ein Szenario, das die Partei noch vor wenigen Wochen tunlichst vermeiden wollte. Nach Röslers Vorstellungen sollte die FDP geschlossen und versöhnt in den Parteitag gehen - daraus wird vermutlich nichts mehr. FDP-Generalsekretär Christian Lindner versuchte, die Hängepartie positiv zu bewerten. Kampfkandidaturen könne er natürlich nicht ausschließen, und wenn es sie gebe, dann seien sie "kein Beinbruch". Das belebe einen Parteitag. "So what?", gab sich Lindner entspannt in der Frage des neuen liberalen Spitzenpersonals. Doch so entspannt ist die Lage nicht.

Zwar meldeten wie erwartet der nordrhein-westfälische FDP-Chef Daniel Bahr und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihre Kandidaturen an, doch dabei blieb es nicht. Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn warf seinen Hut in den Ring für einen der Stellvertreter-Posten. Auch die ostdeutschen Verbände pochen auf einen Vizechef aus ihren Reihen. Als Favorit gilt der sächsische Landeschef Holger Zastrow.

Die bisherigen Vorschläge hätten Rösler allerdings noch nicht zufriedengestellt, so Lindner. Rösler habe die Landesverbände aufgefordert, mehr Frauen für die Führungsriege vorzuschlagen. Nach bisherigem Stand wäre Leutheusser-Schnarrenberger in Zukunft die einzige Frau, die für ein Spitzenamt kandidiert. Ob Rösler sich nun zwei weibliche Stellvertreter vorstellt, blieb gestern aber unklar. Ins Präsidium drängt neben Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel überraschend auch der schleswig-holsteinische Fraktionsvorsitzende und Kritiker des scheidenden FDP-Chefs Guido Westerwelle, Wolfgang Kubicki, der von seinem Landesverband nominiert wurde. Landeschef Jürgen Koppelin begründete im Abendblatt den Personalvorschlag mit der inhaltlichen Stärke des Nord-Verbands. "Es geht nicht um Personen, sondern um die Inhalte", so Koppelin. Die schleswig-holsteinische FDP habe in der Vergangenheit in vielen Punkten eine andere Auffassung als die Bundespartei gehabt. "Wir waren im Herbst gegen die Verlängerung der Atomlaufzeiten, und wir haben recht behalten."

Besonders umstritten ist weiterhin die Rolle, die Parteivize und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle künftig einnehmen soll. Der 65-Jährige habe in der Präsidiumssitzung lediglich bekannt gegeben, sein Landesverband wolle, dass er erneut für den Posten antrete, hieß es gestern. Er wolle dazu jedoch in den nächsten Tagen noch Gespräche führen. Kampflos will Brüderle offenbar nicht gehen. Der Wirtschaftsminister, derzeit noch Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, war die Niederlage bei den Landtagswahlen Ende März angekreidet worden. Unmittelbar vor dem Wahltag hatte es Berichte gegeben, dass er vor Industrievertretern die Wende der Bundesregierung in der Atompolitik als taktisches Manöver dargestellt haben soll. Einzig das Amt als Landeschef will er aufgeben.

In der Partei regt sich Kritik an der starren Haltung des Ministers. Der EU-Abgeordnete Michael Theurer, der am kommenden Wochenende Birgit Homburger als baden-württembergische Landeschefin ablösen will, appellierte an Brüderle, seinen Anspruch an den Vizeposten zu überdenken. Unbestritten seien Brüderles Leistungen als Bundeswirtschaftsminister, betonte Theurer im Gespräch mit dem Abendblatt. "Im Hinblick auf den stellvertretenden Parteivorsitz sollte er jedoch genau überlegen, ob er noch einmal antritt", mahnte der baden-württembergische FDP-Landesvize.

Koppelin sagte dagegen, die Entscheidung einer erneuten Kandidatur müsse Brüderle selbst treffen. "Er hat als Bundeswirtschaftsminister sehr viel richtig gemacht. Es wäre ein falsches Signal, wenn wir als Partei in Zeiten guter Konjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit den Wirtschaftsminister fallen lassen. Wir brauchen sein Gewicht als stellvertretender Parteivorsitzender", machte Koppelin deutlich. Er betonte: "Es kann nicht nur eine Boygroup auftreten. Es müssen auch erfahrene Persönlichkeiten dabei sein."