Für Guantánamo-Häftlinge ändere sich „nur die Postleitzahl“. Auch an Deutschland hat der neue Amnesty-Report einiges auszusetzen.

Berlin/London. Trotz wegweisender Gerichtsurteile hat Amnesty International im vergangenen Jahr weltweit Menschenrechtsverletzungen in 159 Ländern registriert. „Taub stellten sich auch die USA, China, Russland, Iran und Afghanistan gegenüber Forderungen nach Aufklärung und Verfolgung von Menschenrechten“, sagte die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty, Monika Lüke, bei der Vorstellung des Jahresreports.

Hoffnung gäben beispielsweise Urteile wegen „Verschwindenlassens“, Folter und Mord gegen den ehemaligen Präsidenten von Peru, Alberto Fujimori, und gegen etliche ehemalige Militärs in Argentinien, sagte Lüke. Auch der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Sudans Präsidenten Omar al-Baschir sei wegweisend gewesen.

Gleichzeitig dokumentiert der Jahresbericht jedoch auch Folter und Misshandlung in mindestens 111 Ländern sowie unfaire Verfahren in mindestens 55 Ländern. In mindestens 96 Ländern sei die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Gewaltlose politische Gefangene seien in mindestens 48 Ländern inhaftiert. Nachdrücklich verwies Lüke auch auf Verstöße gegen Menschenrechte in Sri Lanka, China, Russland sowie in der Demokratischen Republik Kongo, in Israel und Palästina.

Düster sei die Situation unter anderem in Afghanistan. Hier würden Zivilisten immer wieder Opfer der Taliban oder anderer bewaffneter Gruppen sowie der internationalen Streitkräfte. Zudem kämen die Reformen bei Polizei und Justiz nur schleppend voran. Im Iran habe sich die Situation deutlich verschlechtert. Seit den Präsidentenwahlen im Juni 2009 würden hier Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger verstärkt verfolgt. In Schauprozessen seien über 80 Personen verurteilt worden, mindestens 16 von ihnen zum Tode.

Ein ernüchterndes Fazit zieht Amnesty aber auch zur Politik von US-Präsident Barack Obama. Er habe sein Versprechen nicht gehalten, Guantánamo binnen eines Jahres zu schließen. „Wenn einige Gefangene von Guantánamo nach Illinois verlegt werden, aber weiter ohne rechtsstaatliches Verfahren in Haft bleiben, ändert sich für diese Männer nichts – außer die Postleitzahl“, sagte Lüke.

Gemischt fiel auch die Amnesty-Bilanz zu Deutschland aus. Zwar könnten Kinder ohne Aufenthaltspapiere inzwischen ohne das Risiko einer Abschiebung in die Schule gehen. Enttäuschend sei aber, dass Politiker und Behörden das absolute Folterverbot nicht ausreichend ernst nähmen. „Deutschland darf niemanden in einen Folterstaat abschieben“, forderte Lüke. „Sogenannte diplomatische Zusicherungen von Tunesien und Syrien sind nichts als leere Versprechungen.“