Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sind sich über Kurs einig. Ende Juni muss der neue Haushalt stehen.

Berlin. Welche Ministerien werden besonders bluten müssen? Welche Etats werden verschont werden und welche geschröpft? Darüber diskutiert das politische Berlin, seit bekannt wurde, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sich bei einem Geheimtreffen am Sonntagabend bereits auf Grundzüge eines Sparprogramms zur Haushaltskonsolidierung verständigt haben. Spätestens jetzt ist allen Kabinettsmitgliedern klar: In den kommenden Wochen wird es zur Sache gehen. Fragt sich bloß, nach welcher Methode. Sense oder Rasenmäher? Wird die Bundesregierung den Etat Posten für Posten durchgehen oder alle gleichermaßen stutzen?

Das war gestern die Kernfrage, weil das "Handelsblatt" berichtet hatte, dass sich nach Auffassung Merkels und ihres offenbar wieder voll einsatzfähigen wichtigsten Ministers die Einsparungen im Haushalt 2011 auf die Streichung steuerlicher Vergünstigungen sowie auf globale Minderausgaben in den Einzeletats der Ministerien konzentrieren sollen. Ausnehmen wollten die beiden lediglich den Zuschuss für die Rentenkassen sowie die Leistungen für Arbeitslose. Die Empörung über den Vorstoß des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), ausgerechnet an Bildung und Familienleistungen zu sparen, belebte dabei die Diskussion. Bereits am Montagabend hatte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der ARD-Sendung "Beckmann" gesagt, an Bildung und Ausbildung herangehen zu wollen, sei "in diesen Tagen schon bemerkenswert und eine wunderliche Idee". Doch ganz so wunderlich finden das selbst in Guttenbergs Partei nicht alle. So beteuerte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich zwar gestern beim Weißwurstfrühstück in der Bayerischen Landesvertretung, "typische Zukunftsbereiche" wie Familie und Bildung sollten verschont bleiben. Auf Nachfrage räumte er jedoch ein, es gehe ihm nur darum, Kürzungen in diesen Ressorts zu verhindern. Allerdings will auch Koch nicht kürzen, sondern die bis 2015 terminierte Anhebung der Bildungsaufgaben auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts wegen der desolaten Kassenlage vorerst nur verschieben.

Eigene Sparvorschläge wollte gestern kein Minister machen, nachdem der Koalitionsausschuss getagt hatte. Die Kanzlerin und ihr Vizekanzler Guido Westerwelle sind sich einig, dass zunächst die Haushaltsexperten und die Fachpolitiker in den Ministerien Vorarbeiten leisten sollen. Bis dahin soll neuer Zank - der Steuerstreit hat Schwarz-Gelb monatelang gelähmt - vermieden werden. Die Bundesregierung steht unter Zugzwang: Bereits auf der Kabinettsklausur am 6./7. Juni im brandenburgischen Meseberg soll die Prioritätenliste für die Sparmaßnahmen fertig werden, weil der Entwurf für den Haushalt 2011 bis Ende Juni vorliegen muss. Dabei zwingt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu Einsparungen in einem Volumen von zehn Milliarden Euro. Schäuble, so heißt es, überlege deshalb, allen Kabinettskollegen Vorgaben für die Einsparsummen in ihren Häusern zu machen.

Dass Kanzlerin und Finanzminister dabei angeblich insbesondere im Bundesverkehrsministerium "noch Luft" sehen, hat in dem von Peter Ramsauer (CSU) geführten Ressort gestern Unruhe ausgelöst. "Das ist hier nicht auf Begeisterung gestoßen", hieß es aus der Führungsetage knapp. Streit scheint also doch wieder programmiert. Einziger Ausweg wäre das Rasenmäherprinzip: Alle müssten dann von ihren Erbhöfen gleich viel abgeben. Er glaube, dass das "nicht verkehrt" sei, sagte Ramsauers Parteifreund Friedrich gestern. Peter Altmaier, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, erklärte hingegen: "Wir brauchen eine politische Prioritätensetzung." Die Haushaltsaufstellung nach herkömmlichen Mustern funktioniere angesichts der Schuldenbremse nicht mehr.

Die Liberalen hielten sich gestern an die interne Ansage, in den kommenden 14 Tagen "keine unsinnigen Debatten" zu führen und verzichteten auf eigene Sparvorschläge. Allerdings hieß es aus der FDP-Bundestagsfraktion, man werde noch eine eigene Sparliste präsentieren. Der vom DIW angeregten Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 Prozent wurde in Koalitionskreisen unterdessen eine Absage erteilt. Die sei "abwegig", hieß es in Berlin. Stefan Müller, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, will auch den Bereich Arbeitsmarktpolitik nicht tabuisieren. "Der birgt sicher noch Einsparpotenzial", sagte Müller dem Abendblatt. "Wenn wir bis 2013 etwa 40 Milliarden Euro einsparen wollen, wird das nicht ohne Kürzungen bei staatlichen Leistungen gehen."