CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warnt vor Kürzungen bei Bildung und Familie

Berlin. In der Union hat sich der Streit über die Sparvorschläge des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch verschärft.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warnte davor, an der falschen Stelle zu kürzen. "Die aktuelle Lage im Euroraum macht mehr als deutlich, dass die Haushaltskonsolidierung im Zentrum unserer Politik stehen muss. Dabei müssen wir sowohl die Kraft zum Sparen aufbringen als auch an den Schwerpunkten unserer Politik - also an Bildung, Forschung und Familie - festhalten", sagte Gröhe gestern dem Hamburger Abendblatt. "Dort, wo Bund und Länder gemeinsame Ziele verabredet haben, kann man über die Zeitschiene noch einmal sprechen, wenn die Länder dies wünschen. Die Ziele selbst dürfen dabei aber nicht zur Disposition gestellt werden."

Koch, der auch stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender ist, hatte zuvor im Abendblatt-Interview die Garantie für die Kleinkinderbetreuung infrage gestellt und auch Einsparungen bei der Bildung angemahnt. Das Bundesfinanzministerium unterstützte die Vorschläge Kochs. "Es ist gut, wenn es Vorschläge aus den Ländern gibt, die klarmachen, dass es in der Haushaltspolitik so nicht weitergehen darf", sagte Steffen Kampeter, parlamentarischer Staatssekretär von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dem "Handelsblatt". Bund und Länder müssten gemeinsam Ideen ausarbeiten, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Die Steuerschätzung hatte ergeben, dass 38,9 Milliarden Euro bis Ende 2013 weniger in die Staatskassen fließen als bisher eingeplant.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) rief dazu auf, bei den Bemühungen um mehr Bildungsgerechtigkeit nicht nachzulassen. Gerade wegen der Wirtschaftskrise müsse der Staat in den nächsten Jahren zuallererst in Bildung investieren, sagte Schavan bei einer Podiumsdiskussion auf dem Ökumenischen Kirchentag in München. Das Ziel, zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung zu investieren, müsse beibehalten werden.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wandte sich dagegen, "angesichts knapper Kassen einfach immer mehr Geld ins Bildungssystem zu pumpen". Mehr Geld allein schaffe nicht automatisch klügere Schüler, sagte der Regierungschef dem Abendblatt. "Auch muss man sich fragen, ob die Länder es sich überhaupt leisten können, mehr Geld auszugeben. Wir müssen das vorhandene Geld klüger verwenden und Inhaltliches verbessern." Einsparungen im Verteidigungshaushalt lehnte Tillich ebenso ab wie Kürzungen beim Straßen- und Schienenbau.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sprach sich dafür aus, die staatlichen Ausgaben zumindest einzufrieren. "Da die Steuereinnahmen allein durch die Inflation bedingt um einen zweistelligen Milliardenbetrag steigen, bin ich dafür, im Haushalt 2011 kein einziges Ausgabenprogramm gegenüber dem Haushalt 2010 zu erhöhen. Die Ausgaben müssen also konstant bleiben", sagte Friedrich dem Abendblatt. "Eine Steigerung dazu wäre eine pauschale Kürzung in allen Bereichen."

Der niedersächsische CDU-Vorsitzende David McAllister nannte die Haushaltskonsolidierung in Bund, Ländern und Kommunen "eine zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre". Für Juni kündigte er eine Klausurtagung der niedersächsischen Landesregierung zum Haushalt 2011 an. "Alle Aufgaben und Ausgaben kommen auf den Prüfstand."

Bei der FDP stießen die Sparvorschläge aus der Union auf Skepsis. Parteichef Guido Westerwelle sagte dem "Bonner General-Anzeiger", Priorität hätten Bildung und Forschung, ein besseres Gesundheitssystem und der Subventionsabbau. "Ich bin daher auch gegen Vorschläge, bei Bildung und Forschung zu kürzen."

Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruß, kritisierte Kochs Vorschläge als "rückwärtsgewandt". Im Bundeshaushalt gebe es genügend anderes Einsparpotenzial, etwa die Subventionen für den Steinkohleabbau, sagte sie "Handelsblatt Online".

Auf Zustimmung stießen die Sparappelle beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die staatlichen Leistungen müssten auf den Prüfstand, dazu gehöre auch der Rechtsanspruch auf Kleinkinderbetreuung, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Der Bund der Steuerzahler rief zu einer "schonungslosen Sparpolitik" auf. Die Summen, die im Rahmen des Euro-Schutzschirms finanziert werden müssten, seien "unvorstellbar hoch", sagte Bundesgeschäftsführer Reiner Holznagel der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Er forderte Einsparungen in der Sozialpolitik.