Trotz enger Spielräume beharrt Fraktionschefin Birgit Homburger auf Entlastungen. Widerspruch kommt aus der CDU - und von der EU.

Berlin. Im Steuerstreit der Regierungskoalition verhärten sich die Fronten. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers stellte Steuersenkungen 2012 infrage und wandte sich damit gegen Forderungen der Koalitionspartner FDP und CSU. Wegen der Griechenland-Krise sei es ungewiss, ob es schon in zwei Jahren Spielräume für Steuersenkungen gebe, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende dem "Spiegel".

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger betonte, Steuersenkungen und Haushaltskonsolidierung gingen Hand in Hand. "Beides ist parallel machbar", sagte sie dem Hamburger Abendblatt. "Es ist nicht eine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens." Homburger unterstrich: "Wir kennen unsere Verantwortung für die Staatsfinanzen und für die nachfolgenden Generationen. Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem."

Die Fraktionschefin wies darauf hin, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2013 mit weiteren Mehreinnahmen in Milliardenhöhe rechne. Für strukturelle Änderungen "brauchen wir aber den Willen und die Entschlossenheit in der Koalition", sagte sie. "Die FDP ist zu diesen Anstrengungen bereit." Die Bundestagsfraktion der Liberalen werde "alles dafür tun, um im Haushalt die Spielräume zu erarbeiten, die nötig sind, um eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer für die unteren und mittleren Einkommensgruppen zu realisieren", kündigte Homburger an.

Schäuble gab sich in der "Welt am Sonntag" zurückhaltend: "Die Frage nach einer Steuerreform beantworten wir im Juni." Bis dahin werde auch die Steuerschätzung des Bundes bekannt sein. Der "Spiegel" berichtete, das Finanzministerium rechne trotz wirtschaftlicher Erholung für dieses Jahr nicht mit zusätzlichen Einnahmen. Für die kommenden Jahre würden die Einnahmeerwartungen sogar drastisch nach unten korrigiert. Der Arbeitskreis Steuerschätzung trifft sich in dieser Woche.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso warnte die europäischen Regierungen vor unüberlegten Steuersenkungen. "Manche Staaten in Europa haben den Spielraum für Steuersenkungen, andere haben ihn nicht", sagte Barroso dem Abendblatt. Die Entlastung von Bürgern und Unternehmen könne ein Mittel sein, Nachfrage zu stimulieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. "Länder mit einem riesigen Haushaltsdefizit sollten allerdings darauf verzichten, auch noch die Steuern zu senken. Andernfalls laufen sie Gefahr, die Krise zu verschärfen." Das deutsche Haushaltsdefizit wird in den nächsten Jahren voraussichtlich deutlich über der im Euro-Stabilitätspakt festgeschriebenen Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen.