Die deutschen Truppen in Afghanistan sind in Gefahr. US-Pastor Terry Jones hat die Koranverbrennung abgesagt, sich aber wieder umentschieden.

Hannover/Washington/Kabul. Die geplante Koran-Verbrennung durch eine kleine evangelikale Sekte in den USA droht weltweite Konsequenzen nach sich zu ziehen. Der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, General David Petraeus, warnte, die Aktion könnte für das Ansehen der USA ähnliche gravierende Folgen haben wie der Folterskandal im US-Gefängnis von Abu Ghraib 2004. Die zu erwartenden Bilder brennender Korane „wären ein Propaganda-Geschenk“ für antiamerikanische Extremisten.

Der Kommandeur der deutschen Truppen in Afghanistan, Brigadegeneral Hans-Werner Fritz, warnte gegenüber „Spiegel Online“ vor Racheakten auch an Bundeswehrangehörigen. „Ich kann mir nur wünschen, dass die Geschichte nicht stattfindet, denn sie würde einer aufgehetzten Bevölkerung und den Radikalen Anlass zur Gewalt gegen alle Isaf-Truppen, auch gegen die Deutschen in Nordafghanistan, geben“, sagte der General.

Der Präsident Indonesiens, Susilo Bambang Yudhoyono, appellierte in einem Brief an US-Präsident Barack Obama, diesen „widerwärtigen Akt“ zu verhindern. „Es ist eine sehr gefährliche Situation und wir sind sehr besorgt“, erklärte ein Sprecher des indonesischen Staatschefs. Indonesien ist mit 240 Millionen Einwohnern das volkreichste islamische Land der Erde. Die radikale indonesische Islamistengruppe „Islamic Defenders Front“ erklärte gegenüber dem US-Sender CNN, man werde ein Todesurteil über Sektenführer Pastor Terry Jones verhängen , falls er seinen Plan ausführe.

Obama sagte dazu, die Verbrennung wäre eine „Rekrutierungs-Goldgrube“ für al-Qaida, um junge Leute anzuwerben, die sich dann in amerikanischen oder europäischen Städten in die Luft jagen würden. In der pakistanischen Stadt Multan verbrannten 200 Anwälte und aufgebrachte Bürger eine US-Fahne und warnten auf einem Transparent: „Wenn der Koran verbrannt wird, dann ist das der Anfang der Zerstörung Amerikas“.

Pastor Jones erklärte in Gainesville in Florida, er werde die Koran-Verbrennung am 11. September, dem Jahrestag der Terroranschläge von 2001 in den USA, wie geplant veranstalten – es sei denn, Gott sende ihm ein anderslautendes Zeichen. Falls das Weiße Haus ihn darum bitte, würde er aber noch einmal darüber nachdenken. Informationen des US-Senders MSNBC nach haben seine Kirchenmitglieder bereits 150 Korane gesammelt; mindestens 200 Exemplare wollen sie verbrennen. Die US-Regierung in Washington versetzte in Erwartung muslimischer Racheakte die amerikanischen Botschaften in aller Welt schon einmal in Alarmbereitschaft und ließ die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen.

Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai warnte noch einmal eindringlich vor den Folgen einer Koran-Verbrennung. „Diese Aktion ist ein Angriff auf den gesamten Islam und alle Muslime in Afghanistan“, sagte Karsai. Falls die USA diese Verbrennung zuließen, gefährdeten sie die Beziehungen zur gesamten muslimischen Welt.

Der frühere britische Premierminister Tony Blair, ein tiefgläubiger Christ, rief dazu auf, den Koran lieber zu lesen anstatt ihn zu verbrennen. Der erzkonservative evangelikale Fernsehprediger Pat Robertson griff Pastor Jones in seinem Programm scharf an: „Man stelle sich einen Pastor vor, der so egoistisch ist, dass er das Leben von Missionaren und Soldaten opfert, um sein Ding durchzuziehen. Das ist so dämlich.“

Die neue Ikone der Republikanischen Partei, die frühere Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin, twitterte, die Koran-Verbrennung sei „unsensibel und unnötig. Pastor Jones – bitte geben Sie nach“. Falls Jones beweisen wolle, dass die christlichen Lehren von Barmherzigkeit, Freiheit und Gleichheit die Fundamente der USA bildeten, dann sei seine Taktik „völlig kontraproduktiv“.

Auch der New Yorker Islam-Geistliche Feisal Abdul Rauf, der hinter dem umstrittenen Plan steht, eine Moschee unweit von Ground Zero zu errichten, rief Jones zum Einlenken auf. In der populären Sendung „Larry King Live“ sagte der Imam: „Ich würde ihn beknien, ernsthaft zu überdenken, was er da vorhat. Es wird die Radikalen in der muslimischen Welt stärken.“ Zwar gebe es die Freiheit der Meinungsäußerung in den USA, doch mit dieser Freiheit sei auch Verantwortung verbunden.

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte: „Wir sind ein Volk von 310 Millionen. Es ist bedauerlich, dass ein Pastor einer Kirche von kaum 50 Leuten diesen empörenden und bestürzenden Plan aushecken kann und die Aufmerksamkeit der Welt bekommt.“

Der radikale Pastor Jones hatte am Donnerstagabend erst seine Koranverbrennung öffentlichkeitswirksam abgesagt. Dann kündigte er schon wieder eine Kehrtwende an. „Wir sagen die Veranstaltung nicht ab, aber wir setzen sie aus“, sagte Jones dem Fernsehsender NBC. Das Hin und Her begründete er damit, dass sich die angeblichen Voraussetzungen für die Absage wieder geändert hätten. Sie beruhte nach seinen Angaben auf einer Vereinbarung mit der muslimischen Gemeinde in New York, dass der umstrittene Bau einer Moschee in der Nähe vom Ground Zero an anderer Stelle verwirklicht werden soll. Dieser von Jones proklamierte Kompromiss wurde jedoch unmittelbar nach der Verkündung von allen Seiten dementiert.