Afghanistan-Kommandeur Stanley McChrystal hatte sich abfällig über die US-Regierung geäußert. Sein Nachfolger wird David Petraeus.

Hamburg/Washington. Stanley McChrystal hat für sein Land im Irak und in Afghanistan gedient, er besitzt gleich mehrere Abschlüsse renommierter Militärakademien, mehrt sein Wissen unablässig durch Bücher und Hörbucher. Seine strategischen Fähigkeiten sowie seine Intelligenz hat noch niemand in Zweifel gezogen.

Was den Vier-Sterne-General allerdings dazu bewogen hatte, im berüchtigt autoritätsfeindlichen Musikmagazin "Rolling Stone" seinen Oberkommandierenden, US-Präsident Barack Obama, dessen Vize Joe Biden und andere Regierungsvertreter persönlich anzugreifen, kann nur erahnt werden.

In Washington heißt es, McChrystal habe aufgrund der mangelnden Erfolge seiner Afghanistan-Strategie wohl unter starkem psychischen Druck gestanden und habe seinen Frust über die Obama-Administration einfach mal rausgelassen.

Diese Ungeschicklichkeit, die seinem bisherigen Vorgesetzen David Petraeus, der nun überraschend sein Nachfolger werden soll , niemals unterlaufen wäre, trug McChrystal eine Vorladung ins Weiße Haus und in diesem Zusammenhang die Entlassung ein. Die halbstündige Unterredung dürfte für beide Seiten sehr unerfreulich und peinlich gewesen sein. Immerhin hatte sich Obama nach langem Zögern auf McChrystals Strategie für den Krieg am Hindukusch eingelassen und war nach Angaben von Mitarbeitern entsprechend wütend. Er warf dem General "miserables Urteilsvermögen" vor.

Obama sah sich daher gezwungen, McChrystals Rücktrittsgesuch anzunehmen. Nachfolger Petraeus hatte den Aufstand im Irak relativ erfolgreich bekämpft und war dafür Chef des Zentralkommandos geworden, zu dessen Operationsbereich auch Afghanistan gehört. Nun soll der Vier-Sterne-General zurück an die Front. Vergeblich hatte der afghanische Präsident Hamid Karsai vor einer Ablösung des Generals gewarnt, da McChrystal sich großes Vertrauen in Kabul erworben habe.

"Rolling Stone" berichtet in einer jüngsten Ausgabe, dass Stanley McChrystal von Obama schwer enttäuscht sei. Bei ihrem ersten Zusammentreffen - einem nur zehnminütigen Fototermin - habe der Präsident keine Ahnung gehabt, wer McChrystal überhaupt war - "immerhin der Kerl, der seinen Scheißkrieg für ihn führen soll -, und er wirkte nicht sehr engagiert", wie ein Mitarbeiter des Generals sagte. Über US-Vizepräsident Joe Biden, der eine andere Strategie für Afghanistan vorgeschlagen hatte, sagte McChrystal auf einer Pressekonferenz in Paris: "Wer ist das denn?" Sein Berater fragte mit einem obszönen Wortspiel: "Biden? Meinten Sie 'Bite me'?" Der Ausdruck "bite me" bedeutet auf mehrfache Weise "leck mich".

Über den früheren Drei-Sterne-General Karl Eikenberry, US-Botschafter in Kabul, der ebenfalls vor McChrystals Strategie gewarnt hatte, sagte dieser: "Hier haben wir einen, der sich für die Geschichtsbücher absichert. Wenn wir scheitern, sagt er dann: 'Das habe ich euch doch gleich gesagt.'" Besondere Verachtung hegte der General offenbar für Obamas Afghanistan-Sondergesandten Richard Holbrooke. Mit Blick auf seinen BlackBerry sagte McChrystal: "O nein - nicht schon wieder eine Mail von Holbrooke. Die mag ich gar nicht mehr öffnen." Holbrooke höre ständig Gerüchte, dass er gefeuert werden solle, und sei daher gefährlich wie ein "verwundetes Tier".

Abfällig äußerte sich der General auch über Obamas Nationalen Sicherheitsberater, den früheren Vier-Sterne-General James Jones.

Der General habe nur Verachtung für zivile Führung übrig, hieß es im US-Kongress. Der demokratische Abgeordnete und Ausschussvorsitzende David Obey meinte, McChrystal stehe in einer "langen Reihe rücksichtsloser, abtrünniger Generale, die offenbar nicht begreifen wollen, dass ihre Rolle darin besteht, Politik umzusetzen, nicht aber, sie zu gestalten". Der General habe eine "starrsinnige Weigerung demonstriert, die Meinung anderer in sein Urteil mit einzubeziehen".