Stanley McChrystal ist nicht mehr Isaf-Kommandeur in Afghanistan. Obama nahm das Rücktrittsergehen an. Petraeus soll Nachfolger werden.

Washington. Ganz plötzlich ist General Stanley McChrystal weg. Und in der Zentrale des Nordatlantischen Bündnisses herrscht keine Überraschung, aber seltsame Mischung aus Ärger, Sorge und Verwunderung. Der Mann, der den größten Militäreinsatz in der Geschichte des westlichen Bündnisses endlich zum Erfolg führen sollte, hat sich selbst außer Gefecht gesetzt. Der disziplinierte und hochintelligente Kommandeur der 120 000 Mann starken Afghanistan- Schutztruppe Isaf ist gestolpert – über die eigenen Füße und einen „Rolling Stone“.

Nichts konnte die Nato derzeit schlimmer treffen als die Entlassung des vermutlich wichtigsten Offiziers, der sich noch dazu entschuldigen musste, ein „schlechtes Urteilsvermögen“ gehabt zu haben. Schließlich war es McChrystal, der die Strategie entwarf, mit der die Afghanistan-Schutztruppe Isaf gegen die radikal-islamischen Taliban gewinnen soll. Eine Strategie, von der Nato-Militärs sagen, sie zeige bereits erste Erfolge. Aber auch eine, die so viele Opfer wie nie zuvor von den internationalen Soldaten fordert.

Ein Hoffnungsträger mit schlechtem Urteilsvermögen. „Ich verstehe überhaupt nicht, wie das passieren konnte“, sagt ein Diplomat im Nato-Hauptquartier. Vor 15 Tagen hatte McChrystal noch in Brüssel den Nato-Verteidigungsministern erläutert, dass es mit der geplanten Offensive in der südlichen Unruheprovinz Kandahar doch nicht so schnell gehen werde wie geplant. Durch einen Nebeneingang war er ins Gebäude gekommen, Scheinwerfer und Kameras meidend. Und sprechen mochte er nur mit US-Journalisten, die zuvor vom Pentagon handverlesen worden waren. Warum machte er sich plötzlich angreifbar?

„Auch wenn er nicht mehr der Kommandeur sein wird, so bleibt die von ihm eingeführte Herangehensweise doch die richtige“, formulierte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Der Kampf gehe wie bisher weiter. Noch am Vortag hatte Rasmussen wissen lassen, er habe „volles Vertrauen in General McChrystal als Nato-Kommandeur und in seine Strategie“. Nato-Sprecher James Appathurai hatte die Stimmungslage im Bündnis so skizziert: Der Artikel im „Rolling Stone“ sei „ziemlich unglücklich, aber es ist nur ein Artikel“. „Wir sind mitten in einem sehr realen Konflikt“, fügte er hinzu.

Einen Tag später war klar, dass McChrystals wichtigste Vorgesetzte - US-Präsident Barack Obama und Verteidigungsminister Robert Gates - dem General das Vertrauen entzogen hatten. Schon als Gates vor gut zwei Wochen in Brüssel vor Journalisten über den Kommandeur und dessen Strategie redete, schien es manchem Beobachter, als mache er sich McChrystals Sicht des Afghanistan-Krieges nicht zu eigen. „General McChrystal sagte den Ministern, dass er zuversichtlich ist, in der Lage zu sein, Fortschritte im Süden und im ganzen Land vorzuweisen und dass die Strategie bis zum Ende des Jahres funktionieren wird“, referierte Gates distanziert.

Nato-Militärs machen sich vor allem darüber Gedanken, welche Folgen die Ablösung McChrystals einerseits auf den Kampfgeist und Motivation der Taliban haben wird. Und wie sie andererseits auf die Isaf-Truppe und die afghanischen Soldaten wirken werde. Zumal der afghanische Präsident Hamid Karsai dem US-General vor dem Abflug zur Entlassung öffentlich bescheinigte, dieser sei ein „großartiger Partner der afghanischen Regierung und des afghanischen Volkes“ gewesen. Der neue Oberkommandeur wird David Petraeus – ein Mann, der sich im Irak bewährte. Aber der Irak ist nicht Afghanistan.