Sie schüren Sozialneid, hetzen gegen Homosexuelle und Einwanderer. Der Hass auf Minderheiten eint Rechte in ganz Europa.

Ungarn ist ein "Vorbild für ganz Europa". Das findet zumindest Heinz-Christian Strache, der Chef der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Er ist richtig zufrieden mit dem ungarischen Wahlergebnis. Die konservative Fidesz-Partei hat die absolute Mehrheit erreicht, die rechtsextreme Jobbik 16,7 Prozent der Stimmen. In ganz Europa könne man mittlerweile "eine Stärkung der heimatbewussten Parteien erkennen", freut sich Strache, ein klarer Beleg dafür, "dass die europäischen Völker ihre Souveränität und Identität nicht aufgeben wollten".

Es ist nicht nur Ungarn; inzwischen erzielen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten in ganz Europa Erfolge. Die Rahmenbedingungen sind günstiger denn je, die Finanzkrise und der drohende Staatsbankrott Griechenlands verhelfen dem Nationalismus zu einem Comeback. Und immer mehr Europäer hören zu, wenn radikale Populisten gegen Muslime hetzen.

Als rechtsextrem bezeichnen Experten gewaltbereite Rechte, die das politische System stürzen wollen, Rechtspopulisten tarnen sich dagegen als Demokraten, die Gewalt verabscheuen. Ihre Strategie ist perfide, sie spielen mit der Angst der Menschen. Der Angst um Job und Rente, der Angst um die Gesundheit, der Angst vor der Globalisierung. Die Schuldigen sind für die Rechtspopulisten immer dieselben: Minderheiten wie Muslime, Juden, Roma, Homosexuelle, Afrikaner.

Die Grenzen zwischen Extremismus und Populismus sind fließend. "Die rechtspopulistischen Parteien schüren Sozialneid nach unten", sagt der Kölner Rechtsextremismusforscher Christoph Butterwegge dem Abendblatt. "Zum einen sprechen sie Menschen an, die von Abstiegsängsten geplagt werden. Zum anderen wenden sie sich an Aufsteigertypen und suggerieren ihnen, dass der Staat mit ihren Steuergeldern asoziale Minderheiten durchfüttert."

Die Minderheiten-Hetze haben all diese Parteien gemeinsam. "Ihre Feindbilder sind aber unterschiedlich: farbige Zuwanderer in den Niederlanden, Roma in Ungarn, osteuropäische Zuwanderer aus dem Balkan in Österreich", sagt Butterwegge.

"Grundsätzlich ist Antisemitismus im Osten Europas weiter verbreitet als im Westen", sagt Orkan Kösemen von der Bertelsmann-Stiftung dem Abendblatt. "Westeuropäische Populisten beschwören sogar die Solidarität mit Israel." So treten zum Beispiel Anhänger der deutschen "Bürgerbewegung Pro NRW" lieber als moderne Demokraten auf, die um die innere Sicherheit der Republik besorgt sind.

Ihr Feind ist der Islam.

Den wachsenden Wählerzuspruch haben alle rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien Europas gemeinsam. In einigen Ländern bestimmen sie jedoch auch die Regierungspolitik.

Ungarn

Die rechtsextremistische Partei Jobbik (übersetzt: Die Besseren) wurde 2003 gegründet. Mit Parolen gegen Roma, Juden und Homosexuelle wurde Parteichef Gabor Vona populär. Die Parteimiliz der Jobbik, die "Ungarische Garde", lässt Vona in Schwarzjacken und Militärstiefeln durch Ungarns Dörfer marschieren, um der "Zigeunerkriminalität" Einhalt zu gebieten, dabei werden die Gardisten auch gewalttätig. Die Parteizeitung "Barikad" (Barrikade) zeigte vor Kurzem auf der Titelseite eine Fotomontage des heiligen Gerhard. Der mittelalterliche Märtyrer hielt aber nicht das Kreuz hoch, sondern die jüdische Menora. "Budapest erwache! Wollt ihr das?", stand daneben. Auch im EU-Parlament ist Jobbik schon vertreten, die Partei will den EU-Beitrittsvertrag "überprüfen". Die konservative Fidesz-Partei, die Ungarn künftig regieren wird, hat viele Programmpunkte von Jobbik übernommen.

Niederlande

Im März jubelte die Partij voor de Vrijheid (PVV) über Stimmengewinne. 2006 gegründet von Geert Wilders, gegen ihn läuft ein Prozess wegen Volksverhetzung, hatte die "Partei für die Freiheit" bei den Kommunalwahlen in Almere (187 000 Einwohner) die Sozialdemokraten von der Macht verdrängt, kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf 21,6 Prozent; in Den Haag kam sie auf Platz zwei. "Wir werden die Niederlande zurückerobern von der linken Elite, die immer noch an den Islam, an Multikulti, an den Unsinn von Entwicklungshilfe und den europäischen Superstaat glaubt", jubelte Wilders. Die Niederländer wählen am 9. Juni ein neues Parlament. Umfragen sehen die PVV mit voraussichtlich 24 Mandaten im 150 Sitze umfassenden Parlament als künftig drittstärkste politische Kraft der Niederlande.

England

Der Holocaust-Leugner Nick Griffin ist Chef der rechtsextremen Partei British National Party, die in den vergangenen zehn Jahren starken Zuspruch erfahren und 2009 ins Europäische Parlament einzog. Kurz nach der Wahl schlug Griffin vor, Boote mit Flüchtlingen aus Afrika zu versenken, damit Europa nicht "von der Dritten Welt überschwemmt" werde. Mit geduldiger Sozialarbeit unter den Globalisierungsverlierern gewinnen die Extremisten in England an Zuspruch. Am 6. Mai wählen die Briten ein neues Parlament.

Italien

Vor rund zwei Wochen fanden in Italien Regionalwahlen statt. Zum ersten Mal wird eine große Region des Nordens alleine und unangefochten von der rechtspopulistischen Lega Nord regiert. In Venetien erhielt Luca Zaia, der Kandidat der Lega Nord für den Regionalpräsidenten, glatte 60 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auch im Piemont, mit der Hauptstadt Turin, gewann überraschend ebenfalls ein Kandidat der Lega. Die Partei von Umberto Bossi ist auch an der italienischen Regierung beteiligt. Bossi hetzt immer wieder gegen muslimische Einwanderer, bezeichnete Einwanderer aus Afrika als "Bingo-Bongos".

Österreich

Bei den Nationalratswahlen 2008 konnte die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) von Heinz-Christian Strache ihren Stimmenanteil auf 17,5 Prozent erhöhen. Vor drei Tagen ergab die Sonntagsfrage, bezogen auf die Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen im Oktober, ein erneutes Erstarken der FPÖ um 7,2 Prozent auf 22 Prozent. Am 25. April fordert die FPÖ-Kandidatin Barbara Rosenkranz den amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer (SPÖ) heraus. Die zehnfache Mutter lehnt die EU-Verfassung ab, gilt als rechts außen - in ihrer eigenen Partei. Die konservative ÖVP stellt erst gar keinen eigenen Kandidaten auf. Die FPÖ gilt für viele Rechtspopulisten in Europa als Vorbild, weil sie zu Zeiten von Jörg Haider zusammen mit der konservativen ÖVP regiert hat.

Schweiz

Seit den Wahlen 2007 ist die rechtsgerichtete Schweizerische Volkspartei mit einem Stimmenergebnis von 29 Prozent die stärkste politische Kraft in der Schweiz. Ein Bericht des Europarats über die Partei warnt, der "politische Diskurs" der SVP habe "in den letzten Jahren einen rassistischen und fremdenfeindlichen Ton angenommen, der zu rassistischen Verallgemeinerungen über Ausländer, Muslime und andere Minderheitengruppen geführt hat". Aufgrund der harten anti-islamischen SVP-Propaganda ist seit der landesweiten Abstimmung vom November 2009 der Bau von Minaretten in der Schweiz verboten.

Dänemark

Bei der Europawahl 2009 bekam die rechtspolitische Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) 15,1 Prozent der Stimmen. Sie ist EU-skeptisch eingestellt und tritt für strenge Ausländergesetze ein. Bei den Parlamentswahlen erreichten die Rechtspopulisten im November 2007 ihr bislang bestes Ergebnis, wurden mit 25 Parlamentssitzen drittstärkste Partei (13,9 Prozent) und somit eine wichtige Stütze für Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussens Regierung.

Belgien

Vlaams Belang (Flämische Interessen) ist eine 2004 gegründete extrem rechte, separatistische Regionalpartei in Belgien; im Landesteil Flandern ist sie seit den 90er-Jahren eine der drei stimmenstärksten Parteien. Die Partei richtet sich vor allem gegen Muslime und will Antidiskriminierungsgesetze verhindern.

Frankreich

Jean-Marie Le Pens Front National feierte jüngst bei den Regionalwahlen im März ein Comeback. In mehreren Regionen überschritt die ausländerfeindliche Partei, die mit Minarett- und Kopftuch-Plakaten um die Stimmen der Wähler warb, die 20-Prozent-Marke. Die Partei wurde im Jahr 1972 von Jean-Marie Le Pen gegründet, der 81-Jährige tritt für die Todesstrafe, Null-Einwanderung, den Austritt aus der Nato und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen ein.

Deutschland

Rechtsextremisten und Rechtspopulisten sind in Deutschland deshalb nicht so mächtig wie ihre Gesinnungsfreunde in den Niederlanden oder Ungarn, weil die rechte Polit-Landschaft in Deutschland zersplittert ist. Die rechtsextreme NPD, die Republikaner, die DVU und die Bürgerbewegungen wie Pro NRW sind höchstens lokal erfolgreich. Die NPD stellt zudem acht Abgeordnete im Landtag von Sachsen und sechs Parlamentarier in Mecklenburg-Vorpommern.

"In Deutschland ist die Öffentlichkeit aufgrund der NS-Vergangenheit viel sensibler", sagt der Rechtsextremismus-Experte Christoph Butterwegge. Ihn besorgt der europäische Rechtsruck: "Werden die Parteien noch stärker, gefährden sie das ganze europäische Projekt."

Neuerdings registrieren Experten vermehrt Versuche der Rechten, sich in Europa besser zu vernetzen. Eine gemeinsame Fraktion im Europäischen Parlament ist zwar gescheitert. Das hindert die Populisten jedoch nicht daran, Veranstaltungen gemeinsam abzuhalten. Pro NRW hat im Landtagswahlkampf Hilfe von der FPÖ, Vlaams Belang und der SVP bekommen.