Den Sozialisten droht eine verheerende Niederlage. Die Bevölkerung ist verärgert über den rigiden Sparkurs.

Hamburg/Budapest. Für Viktor Orban, Spitzenkandidat des oppositionellen rechts-konservativen Bundes Junger Demokraten (Fidesz) ist die Wahl bereits gelaufen, noch bevor die Wahllokale überhaupt öffnen. "Wir stehen vor einem großartigen Sonntag", rief er seinen Anhängern in der Budapester Syma-Sporthalle zu. "Große Dinge kündigen sich an." Auch sein Parteienbund - und mit ihm das ganze Land - geht felsenfest davon aus, dass Orban vor einem gewaltigen Triumph steht. Bis zu 60 Prozent der Stimmen werden dem Fidesz in der ersten Wahlrunde vorhergesagt. Orban steht damit vor einem Comeback als Regierungschef. Ein Mann, der Silvio Berlusconi bewundert und das Parlament verachtet.

Seine Teilnahme an der Abschlusskundgebung war einer seiner eher seltenen öffentlichen Auftritte im Wahlkampf. Er sagte sogar alle Fernsehauftritte ab, um nur im letzten Moment keinen Fehler zu machen. Der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gegenzug für einen Milliardenkredit verordnete Sparkurs ist ebenso wie der geplante Stellenabbau im öffentlichen Dienst kein geeignetes Thema, um im Volk zu punkten. Stattdessen kündigte Orban vage an, er werde den "Ausverkauf" Ungarns verhindern. Er versprach, im Gesundheitssystem für Ordnung zu sorgen und innerhalb eines Jahrzehnts eine Million neue Jobs zu schaffen. Über Details auf dem Weg dorthin schwieg sich Orban aus, ließ die Öffentlichkeit aber wissen, er werde die Vorgängerregierung für ihre Fehler gerichtlich zur Rechenschaft ziehen lassen. Die Zukunft beginne mit einer Abrechnung. Im Übrigen bereite er sich selbst auf eine Regierungsperiode von 15 bis 20 Jahren vor.

Das lässt jene Schlimmes befürchten, die sich gut an Orbans erste Amtszeit als Ministerpräsident von 1998 bis 2002 erinnern. Damals brach er mit Tabus, bezeichnete "ausländisches Kapital" als Gefahr für Heimat und Familie, nannte die kommunistische Regierung "fremdherzig" und würdigte das "reine, echte Ungarntum" der Heimat. Gleichzeitig hat er die Aufgaben des Parlaments drastisch beschnitten, das er nur noch alle drei Wochen tagen ließ. Als die Opposition einmal unter Protest den Plenarsaal verließ, rief er ihr hinterher, es ließe sich ohnehin besser ohne sie regieren. Als Orban 2002 die Wahlen verlor, versuchte er seine Anhänger zum Protest auf die Straße zu treiben.

Damals waren die Sozialisten mit gut 43 Prozent der Stimmen noch Wahlsieger. Doch inzwischen hat die Partei durch Korruption, Lügen und Skandale viel Ansehen eingebüßt. Ihre Regierungskoalition mit den Freien Demokraten hat sich in Reformversuchen heillos verheddert. Vor einem Jahr bildeten die Sozialisten dann eine Minderheitsregierung unter dem parteilosen Premier Gordon Bajnai, der Ungarn eine Radikalkur verordnete: Steuern stiegen, Regierungshilfen sanken. Das 13. Monatsgehalt wurde gestrichen, die Rentner mussten Einschnitte hinnehmen. Die anhaltende Rezession und eine Arbeitslosenquote von zuletzt elf Prozent haben die Regierung dann die letzten Sympathien gekostet.

Viele Enttäuschte wandten sich rechten Parteien zu. Erstmals im Parlament vertreten sein dürfte Ungarns neofaschistische Krawall-Partei Jobbik (Die Besseren), die gegen Juden und "Zigeuner" Stimmung macht. "Eine erhebliche Anzahl von Zigeunern sind Trittbrettfahrer unseres Sozialsystems", sagte der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona kürzlich auf einer Wahlkampfveranstaltung. "Sie haben keine Ahnung, was Arbeit bedeutet." Die extrem europakritische Partei hatte immerhin bei der Europawahl vor einem Jahr 15 Prozent der Stimmen erobert. Der Fidesz hat eine Koalition mit den Ultrarechten ausgeschlossen.