Seit fast zehntausend Jahren ist das Land besiedelt – und seitdem immer wieder Schauplatz blutiger Konflikte gewesen. Auch die Zeugnisse der alten Hochkultur sind von dem Bürgerkrieg bedroht.

Als schweres Zivilisationsverbrechen haben Politiker in aller Welt den Giftgasangriff auf mehrere Städte im östlichen Syrien verurteilt, denen Hunderte Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Das weit schwerere Zivilisationsverbrechen stellt jedoch der Bürgerkrieg selber dar, in dem seit 2011 bereits mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen sind.

Dabei ist Syrien eine der Wiegen der Zivilisation; erste Siedlungsspuren gehen bis ins achte vorchristliche Jahrtausend zurück. In der Stadt Ugarit, für Archäologen ein Juwel, wurde ein Keilschrift- Alphabet entwickelt, bei dem es sich möglicherweise um das erste Alphabet der Menschheitsgeschichte überhaupt handelt. Die Ruinen der uralten Oasenstadt Palmyra, auch in der Römerzeit ein wichtiger Handelsknotenpunkt der Region, stehen bis heute.

Der Wendepunkt in der Geschichte der Syrer, die bis dahin unter anderem von Akkadern, Babyloniern, Assyrern, Aramäern, Persern, Griechen und Römern beherrscht worden waren, kam im Jahre 634 mit der Eroberung durch muslimische Araberheere.

Der Umayyaden-Kalif Muawiya, der von 661 bis 680 regierte, verlegte das muslimische Kalifat von der saudischen Stadt Medina – von der aus der Prophet Mohammed zur Eroberung seines Gottesreiches aufgebrochen war – nach Damaskus. Damit war die mit fast 6000 Jahren älteste Hauptstadt der Welt neben Mekka und Jerusalem eine Zeit lang die dritte heilige Stadt des Islam. In Syrien spielten sich später einige der dramatischsten Szenen im langen Ringen zwischen Kreuzfahrern und Arabern ab; die mächtige Kreuzfahrerburg Crak de Chevaliers erhebt sich bis heute auf einem Felsensporn. Und ist nun, wie auch andere historische Stätten, von Zerstörungen im Bürgerkrieg bedroht.

Syrien existierte in dieser Zeit übrigens in völliger Abhängigkeit von Ägypten, die 600 Jahre lang andauerte. Die ägyptischen Mameluken vereinigten beide Staaten. Jahrhunderte danach, im Jahre 1958, wurde Syrien mit Ägypten übrigens noch einmal verschmolzen, zur Vereinigten Arabischen Republik. Der Staatenbund hielt diesmal aber nur ganze dreieinhalb Jahre.

1516 wurde Syrien dann Teil des gewaltigen Osmanischen Reiches. Dessen Zusammenbruch nach dem Ersten Weltkrieg war in seiner letzten Phase Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Türken und Arabern, die von dem legendären Lawrence von Arabien geführt wurden. Doch der Kampf der Araber an der Seite der britisch-französischen Entente war vergeblich. Der Haschemiten- Fürst Husain erhielt nicht, wie zugesagt, ein Königreich „Großsyrien“. Briten und Franzosen teilten sich unter Bruch entsprechender Londoner Zusagen die Region auf – wie sie es längst im geheimen Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 vereinbart hatten. Syrien und der Libanon fielen an Frankreich. Erst am 17. April 1946 wurde Syrien ein unabhängiger Staat.

Die schwere militärische Niederlage der arabischen Armeen (dabei auch der syrischen) im Kampf gegen den neu gegründeten Staat Israel 1948 stürzte das junge Land Syrien gleich in eine Dauerkrise. Und die spannungsreiche, immer wieder auch kriegerische Feindschaft mit Israel prägt Syriens Politik bis auf den heutigen Tag.

Zwei Jahre nach dem Ende der bereits erwähnten kurzlebigen „Vereinigten Arabischen Republik“ 1961 kam der syrische Ableger der panarabischen Baath-Partei nach einem Putsch von Offizieren an die Macht. Die Partei zerfleischte sich aber in inneren Kämpfen, die sich nach der erneuten Niederlage Syriens im Sechs-Tage-Krieg 1967 und dem Verlust der Golanhöhen dramatisch verschärften. Der machtbewusste Verteidigungsminister und Luftwaffenchef Hafis al-Assad beendete diese Fehden 1970 mit einem weiteren Putsch. Zunächst als Premierminister, dann als Staatspräsident und Generalsekretär der Baath-Partei ließ Assad seine Gegner sowie Angehörige der vorigen Regierung einkerkern oder beseitigen und errichtete nach und nach eine auf seine Person zugeschnittene Diktatur.

Von Anfang an reagierte Assad mit äußerster Brutalität auf jegliche Opposition. Die Säulen seiner Macht waren das Militär, aus dem er hervorgegangen war, sowie ein allgegenwärtiger und wegen seiner Folterpraktiken gefürchteter Geheimdienstapparat. Zu den Gegnern Assads zählten auch Islamisten wie die Muslimbrüder. Der Druck auf die Bruderschaft verschärfte sich, nachdem diese 1979 bei einem Anschlag auf eine Militärakademie 50 alawitische Kadetten ermordet hatten.

Denn die Familie Assad gehört selber der Minderheit der Alawiten oder Nusairier an, die nur rund zwölf Prozent der 21 Millionen Menschen zählenden, überwiegend sunnitischen syrischen Bevölkerung ausmachen. Die den Schiiten nahestehenden Alawiten mit ihrer Geheimreligion – nicht zu verwechseln mit den türkischen und kurdischen Alewiten – waren lange bedeutungslos gewesen. Da sich die meist armen Alawiten jedoch nicht vom Militärdienst freikaufen konnten, bildeten sie schließlich eine starke Gruppe in der Armee und gelangten so am Ende an die Staatsspitze. Der Gegensatz der Alawiten zu den Sunniten erklärt auch die Wut, mit der sunnitische Islamisten nun gegen das Assad-Regime kämpfen.

Die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage sowie Repression und Korruption nährten einen wachsenden Widerstand. Im Februar 1982 kam es zu einem von den Muslimbrüdern initiierten Aufstand gegen Assad in ihrer Hochburg Hama. Der Tyrann ließ die Stadt von seinen Truppen einschließen und so lange von der Luftwaffe bombardieren, bis jeglicher Widerstand erstickt war. Bis zu 30.000 Menschen starben in den Ruinen. Danach setzte eine Verhaftungswelle ein. Das „Massaker von Hama“ brach der islamistischen Opposition für Jahre das Rückgrat.

Im ersten Golf-Krieg 1980 bis 1988 zwischen dem Irak, der ebenfalls von einer Baath-Partei unter Saddam Hussein regiert wurde, und dem Iran schlug sich Assad auf die Seite der Iraner und begann zudem, schiitische Milizen zu unterstützen. Im Gegenzug unterstützte der Iran Syrien wirtschaftlich und lieferte Waffen. Aufgrund dieser engen Achse könnte ein Militärschlag gegen Syrien den Iran dazu veranlassen, die von Damaskus und Teheran gemeinsam finanzierten und ausgerüsteten Terrorgruppen Hamas (Gazastreifen) und Hisbollah (Libanon) auf Israel loszulassen. Die Hisbollah soll über mehr als 40.000 Raketen verfügen, die israelische Städte erreichen können. Der lange von syrischen Truppen besetzte Libanon, in dem die Hisbollah die stärkste Kraft darstellt, könnte ebenfalls zum Schlachtfeld werden.

Am 10. Juli 2000 starb Hafis al-Assad. Er hatte seinen ältesten Sohn Basil zum Nachfolger auserkoren, doch Basil kam 1994 bei einem Autounfall ums Leben. Daher wurde Assads Sohn Baschar unvorbereitet und im Stil eines orientalischen Thronwechsels als Präsident installiert. Baschar al-Assad galt zunächst als Hoffnungsträger, war er doch im Westen zum Augenarzt ausgebildet worden und galt als liberal. Seine attraktive Frau Asma ist in London geboren und arbeitete einst für die Deutsche Bank. Baschar ließ 600 politische Gefangene frei und erlaubte die Nutzung des Internets. Das Wort vom „Damaszener Frühling“ machte weltweit die Runde. Doch der freie Geist wurde vom Regime bald als gefährlich empfunden, und es ließ neue Gefangene in die Kerker schleppen. Baschar al-Assad geriet international unter Druck, nachdem 2005 der frühere und prowestliche Regierungschef des Libanon, Rafik Hariri, bei einem Bombenattentat in Beirut ums Leben kam und der Verdacht auf Hisbollah und Syriens Geheimdienst fiel. Der Arabische Frühling mit den Umstürzen in Tunesien und Ägypten ermutigte auch die Syrer zu Protestdemonstrationen gegen das Assad-Regime, die dieser jedoch brutal zusammenschießen ließ. Es kam zu Massakern an Zivilisten. Die Freie Syrische Armee der Rebellen wird zunehmend von militanten Islamisten und Al-Qaida- Kämpfern unterwandert – womit die Gefahr gegeben ist, dass ein Sturz von Assad zu weiteren Kämpfen und am Ende zu einem radikalislamistischen Regime führen könnte.

Washington erwägt, auf den Giftgaseinsatz nur mit einem begrenzten Schlag mit Marschflugkörpern gegen militärische Ziele zu reagieren. Zu brisant ist die Gemengelage mit dem Iran, Libanon und Israel. Zudem ist die 380.000 Mann zählende syrische Armee stark bewaffnet. Doch am meisten wird befürchtet, ein in die Enge getriebenes Regime könnte mit seinen chemischen Waffen zu Verzweiflungsschlägen ausholen.