Woran die Opfer starben, lässt sich nachweisen. Aber nicht, wer die Waffen einsetzte

Hamburg. Der Biologe und Hamburger Spitzenkandidat der Linken, Jan van Aken, hat von 2004 bis 2006 als Inspekteur für Biowaffen für die Vereinten Nationen gearbeitet. Durch Blutproben können Inspekteure wie in Syrien sehr sicher den Einsatz von Giftgasen oder Biowaffen feststellen, sagt er.

Hamburger Abendblatt:

Herr van Aken, was ist die größte Schwierigkeit für Biowaffen-Inspekteure beim Einsatz in Krisengebieten wie Syrien oder dem Irak?

Jan van Aken:

Die Besonderheit in Syrien ist derzeit, dass die Inspekteure mitten im Bürgerkrieg unterwegs sind. Allein durch die Sicherheitslage wird ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ihre Arbeit wird sich hauptsächlich auf die Untersuchung von Überlebenden des Angriffs konzentrieren, denn Recherchen vor Ort, in den angegriffenen Stadtvierteln, könnten zu riskant sein.

Wie können Inspekteure den Einsatz von Giftgas nachweisen?

Van Aken:

Das ist technisch sehr einfach. Nervengifte blockieren im menschlichen Körper ein bestimmtes Enzym, diese Blockade lässt sich in betroffenen Menschen mit einem Schnelltest in wenigen Minuten nachweisen. Welches Gift es genau war, kann dann im Blut oder Urin der Patienten problemlos festgestellt werden. Die Abbauprodukte der Giftgase sind so stabil, dass sie auch noch viele Tage nach einem Angriff sowohl in Umweltproben als auch im Körper von Überlebenden nachgewiesen werden können.

In Syrien haben sich Rebellen und Regimetruppen für den Einsatz von Giftgas gegenseitig beschuldigt. Wie finden Inspektoren heraus, welche Seite Giftgas oder Biowaffen eingesetzt hat?

Van Aken:

Gar nicht. Das können sie nicht, und das ist auch nicht ihr Auftrag. Das würde eine kriminalistische Arbeit erfordern, die im Bürgerkrieg nicht möglich ist. Raketen- oder Granatenreste sagen nichts über die Urheber des Angriffs aus, da sowohl das Regime als auch die Rebellen mit Sicherheit im Besitz verschiedener Chemiewaffen sind.

Mit welchen Methoden lassen sich Zahlen zu Opfern von Angriffen ermitteln?

Van Aken:

Wenn die Sicherheitslage es zulässt, werden die Inspekteure vor Ort ermitteln und so grob feststellen können, welche Stadtteile oder Dörfer wie stark betroffen waren. Durch Zeugenaussagen lässt sich etwa abschätzen, wie viele Opfer der Angriff gefordert hat – obwohl diese Aussagen immer auch politisch motiviert sein werden.

Wie gesichert sind die Ergebnisse von Inspekteuren nach den Einsätzen?

Van Aken:

Sehr sicher. Die Laboranalysen sind recht einfach und liefern sichere Ergebnisse. Und die Inspekteure haben wasserdichte Beweisketten, mit denen sichergestellt wird, dass niemand die Proben verfälschen kann. Jeder Schritt von der Probennahme bis zur Analyse wird fotografisch dokumentiert, die Proben sind versiegelt und werden nur von Hand zu Hand weitergereicht. Das ist auch unbedingt notwendig, damit hinterher keine der Seiten die Ergebnisse anzweifeln kann.

Wie haben Sie sich selbst bei Einsätzen in Kriegsgebieten vor Angriffen geschützt?

Van Aken:

Das ist bei Waffeninspektionen normalerweise gar nicht nötig. Wir haben jetzt eine echte Ausnahmesituation in Syrien. Im Irak oder auch bei den Routine-Untersuchungen nach der Chemiewaffen-Konvention ist das anders, da waren die Inspekteure mit Einverständnis der jeweiligen Regierung unterwegs, die auch für den Schutz gesorgt hat. Es ist schon beunruhigend zu sehen, dass die Inspekteure in Damaskus jetzt mit Helm und Schutzweste unterwegs sind. Ich hoffe, dass sie da heil wieder herauskommen.