Was wusste die Regierung in Neu Dehli und was hat sie unternommen? Nach dem Terrordrama mit 200 Toten wird diese Frage - auch wegen des aktuellen Wahlkampfes - immer lauter gestellt. Medienberichten zufolge soll der indische Geheimdienst rechtzeitig vor geplanten Terrorakten gewarnt haben. Erste Europäer kommen in Paris an.

Neu Delhi. Indien bestattete am Sonnabend die "Helden von Bombay". Es sind die Sicherheitskräfte, die im fast 60-stündigen Kampf gegen die Terroristen getötet wurden. Als die Leichen den Flammen übergeben wurden, war die politische Diskussion über die Folgen der beispiellosen Angriffe auf die Millionenmetropole bereits im vollen Gange. Im Frühjahr stehen Parlamentswahlen an, und die in Neu Delhi regierende Kongresspartei sieht sich harscher Kritik ausgesetzt: Die Terrorangriffe von Bombay stehen am Ende einer langen Serie von schweren Anschlägen in den vergangenen Jahren. Die hindu-nationalistische Opposition wirft der Kongresspartei vor, die innere Sicherheit sträflich vernachlässigt zu haben.

Allein in diesem Jahr wurden in mindestens sieben indischen Großstädten tödliche Terroranschläge verübt, für die meist muslimische Extremisten verantwortlich gemacht wurden. Insgesamt starben mehr als 400 Menschen. Am 13. September wurde die Hauptstadt Neu Delhi zum wiederholten Male das Ziel einer Bombenserie, 24 Menschen kamen ums Leben. Erstmals schlugen Attentäter in diesem Jahr in der Touristenmetropole Jaipur in Rajasthan zu, mehr als 60 Menschen starben. Am Ende dieser ebenso langen wie furchtbaren Reihe stehen nun die verheerenden Terrorangriffe von Bombay, die auch Deutsche das Leben kosteten .

Kritik richtete sich nach den jüngsten Angriffen nicht nur an die Adresse der Sicherheitskräfte. Ihnen war es trotz der ungeheuer dreisten Vorgehensweise der Terroristen, die wie eine Invasionsarmee schwer bewaffnet mit Booten nach Bombay kamen, nicht gelungen, die Angreifer rechtzeitig aufzuhalten. Auch die Regierung, die bereits schwer mit den Folgen der Finanzkrise zu kämpfen hat, geriet unter Beschuss. "Trotz glaubhafter Geheimdienstinformationen, dass Terroristen Angriffe in Mumbai (Bombay) und anderswo planten, versäumte es die politische Führung Indiens zu handeln", schrieb die Zeitung "The Hindu" am Sonnabend.

Peinliche Pannen der Regierung verschärften die Kritik noch. Innenminister Shivraj Patil hatte kurz nach Beginn der Angriffe live im Fernsehen preisgegeben, dass 200 Mann einer Elite-Einheit auf dem Weg nach Bombay seien. Er gab den Terroristen damit Zeit, sich auf das Eintreffen der Spezialkräfte vorzubereiten . "Die Terroristen (...) müssen lauthals gelacht haben", schrieb die Zeitung "Asian Age". Das Blatt nannte die Angriffe von Bombay einen "Weckruf" im indischen Kampf gegen den Terror. Nachrichtensender spekulierten am Sonnabend über die Ablösung des Innenministers, der bereits bei früheren Anschlägen eine wenig glückliche Figur abgegeben hatte.

Die Geduld der durch die vielen Bluttaten leidgeprüften Inder könnte durch die letzte Angriffserie überstrapaziert worden sein. "Genug ist genug", blendete der Nachrichtensender NDTV in seine laufende Berichterstattung während der schweren Gefechte ein. "Dies ist ein Krieg gegen einen gesichtslosen und fanatischen Feind", schrieb der Vize-Admiral im Ruhestand, Arun Kumar Singh, im "Asian Age". "Dieser Krieg ist nichts für Zartbesaitete und kann nur durch rücksichtslose Taten gewonnen werden."

Unter dem innenpolitischen Druck will die Regierung im Kampf gegen den Terrorismus nun eine deutlich härtere Gangart anschlagen. Den Anfang machte sie bereits: Sie erhob in ungewöhnlich harten Worten Vorwürfe gegen die benachbarte Atommacht Pakistan. Dort, davon ist Neu Delhi überzeugt, liegt der Ursprung der Terrorserie, die ganz Indien ins Herzen getroffen hat. Premierminister Manmohan Singh sagte in einer Ansprache an die Nation: "Wir werden die schärfsten möglichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sich solche Terrorangriffe nicht wiederholen."

Selbst die in der indischen Geschichte einmaligen Angriffe führten allerdings nicht dazu, dass Regierung und Opposition ihre eigenen Aufrufe zur nationalen Einheit in diesen Tagen des Schreckens selbst befolgten. Premierminister Singh und der hindu-nationalistische Oppositionsführer L. K. Advani besuchten Bombay getrennt, ihre Parteien schoben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Der Wahlkampf in Indien hat begonnen.

Erste Europäer in Paris angekommen

Die ersten von Frankreich aus Bombay ausgeflogenen Europäer sind am Sonnabend in Paris gelandet. An Bord der Airbus A310 waren nach Angaben des Außenministeriums 74 Europäer, darunter 29 Franzosen und fünf Deutsche. Die Heimkehrer konnten an Bord medizinisch-psychologisch betreut werden. Frankreich hat alle Franzosen aufgerufen, Bombay vorerst zu meiden.

Bei der Terrorwelle waren auch zwei Franzosen ermordet worden. Die 46-jährige Gründerin einer Firma für Damenunterwäsche, Loumia Hiridjee, und ihr Mann Mourad Amarsy wurden beim Abendessen im Hotel "Trident-Oberoi" erschossen.