Afghanistan, Irak, Nahost – diese Regionen verbindet man mit virulentem Terrorismus. Aber Indien? Und wie: Nach einer Statistik des US-Außenministeriums gab es im vergangenen Jahr 2300 Terror-Tote in Indien; das sind mehr als zehn Prozent aller 22 000 Terroropfer, die es 2007 auf der ganzen Welt gab.

Neu Delhi/Hamburg. Doch das Attentat in Bombay trägt eine neue Handschrift des Terrors. Erstmals wurden gezielt Ausländer ins Visier genommen, erstmals wurden gezielt beliebte Treffpunkte der indischen High Society Zielscheibe der Attentäter. Die Botschaft dahinter ist klar: Indien als Wirtschaftsstandort und Tourismusziel soll getroffen werden. Das Taj in Bombay ist beliebt bei ausländischen Delegationen. Chefs internationaler Unternehmen sind hier Dauergäste. Die indischen Wirtschaftselite verkehrt hier. "Es ist ein Anschlag auf die ganze Nation", sagt der Polizeichef des Bundesstaates Maharashtra, A. N. Roy. "Ich habe einen Kloß im Hals".

Zu der Bluttat bekannten sich die "Deccan Mujahedin". Eine solche Gruppe ist bislang gar nicht in Erscheinung getreten. Andere zeigen umgehend mit dem Finger auf Pakistan und sehen die islamistische Terrorgruppe "Lashkar-e-Toiba" hinter der Anschlagserie. Das Attentat sei sehr gut geplant und von gut trainierten Männern ausgeführt worden, heißt es. Beobachter weisen darauf hin, dass im Moment Tauwetter zwischen Neu-Delhi und Islamabad herrscht. Pakistans Außenminister ist auf Besuch in Indien, der indische Innenminister weilt in Pakistan. Das ist sicher überhaupt nicht nach dem Geschmack des Terrornetzes.

Hintergrund zur Krise: Der indische Subkontinent wurde 1947 geteilt. Neben Indien gab es nun den muslimischen Staat Pakistan, später spaltete sich auch noch das ebenfalls muslimische Bangladesh ab. Der Subkontinent war im 13. Jahrhundert vom Islam erobert worden, ein Viertel der Bevölkerung nahm den neuen Glauben an, der Rest blieb vor allem hinduistisch. Heute leben in Indien mehr als 150 Millionen Muslime fast so viele wie in Pakistan mit seinen nahezu 170 Millionen fast durchweg muslimischen Einwohnern. Bei der Teilung 1947 entschied sich der Maharadscha von Kaschmir störrisch für Indien obwohl seine Bevölkerung zu 80 Prozent aus Muslimen bestand und die zu Pakistan gehören wollte und legte damit den Grundstein zu einem blutigen Dauerkonflikt. Um Kaschmir haben Indien und Pakistan seitdem drei Kriege 1948, 1965 und 1971 sowie zahlreiche Scharmützel geführt.

Doch egal, wer hinter der Tat steckt, der Schaden für Indien ist immens. Internationale Fluggesellschaften haben Verbindungen nach Bombay gestrichen, es gibt neue Reisewarnungen für Indien und Hotels in der Stadt sind angewiesen worden, keine Ausländer mehr als Gäste zu aufzunehmen. Doch Ratan Tata, der Chef der Tata-Gruppe, zu der auch das Taj-Hotel gehört, hat angekündigt, das Taj umgehend wieder in alter Pracht aufzubauen.

Der Indien-Experte Christian Wagner, Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sagte dem Hamburger Abendblatt, der Anschlag zeige nicht nur eine neue Qualität des Terrorismus in Indien, sondern auch, dass die Indische Union ein Problem mit ihrer größten Minderheit habe. "Es spricht viel dafür, dass es radikalisierte indische Muslime waren mit Bezug zu Kaschmir oder zu Pakistan. Eventuell sind dies Gruppierungen oder Individuen, die vorher in Kaschmir gekämpft haben, und die jetzt im indischen Herzland radikale Muslime rekrutieren und für Anschläge ausbilden", sagt Wagner. Unter den muslimischen Indern gebe es eine Radikalisierungstendenz.

Das schaffe ein neues Problem für die indische Union. "Das Muster der Anschläge ist uneinheitlich: Zum einen greifen die Täter gezíelt Ausländer an das ist das klassische al-Quaida-Phänomen, anderseits wollen sie Rache für die Zerstörung der Moschee in Ayodhya, das sind so typisch indische Problemfelder."

Der Berliner Experte glaubt aber nicht, dass der berüchtigte pakistanische Geheimdienst ISI unmittelbar dahinter steht. "Der pakistanische Außenminister ha je gerade in Indien angeboten, in der Frage zusammenzuarbeiten. Die Anschläge könnten sogar dazu führen, dass beide Staaten ihre Zusammenarbeit noch einmal verstärken Pakistan leidet ja unter dem gleichen Problem. Es ist aber zu befürchten, dass es in den nächsten Tagen zu Racheakten militanter hinduistischer Gruppen kommt. Das unterstreicht, wie prekär die Lage in der indischen Demokratie ist. Indien wird deshalb aber nicht auseinander brechen."