“Ich hatte mich am Mittwoch gegen 20 Uhr mit einem anderen Deutschen im Café Leopold in der Touristengegend von Bombay zum Abendessen verabredet.

Bombay/Hamburg. "Ich hatte mich am Mittwoch gegen 20 Uhr mit einem anderen Deutschen im Cafe Leopold in der Touristengegend von Bombay zum Abendessen verabredet. Gegen 22 Uhr wurde auf einmal ein Sprengsatz in das Restaurant geworfen und explodierte etwa zwei Meter neben meinem Stuhl unter dem Nachbartisch." Benjamin M. ist das Entsetzen am Telefon noch anzumerken. "Das Fatale war, dass ich mit dem Rücken zum Haupteingang saß, von wo aus die Terroristen angriffen."

Der 26-Jährige stürzte auf den Boden. "In Sekundenschnelle brach Panik aus, und alle rannten ziellos auseinander", berichtet M. Der Norderstedter wollte nur noch raus. Er blickte sich nach seinem Freund um, konnte aber in dem Chaos niemanden mehr erkennen. "Es war ein absolutes Durcheinander." Blind vor Explosionsstaub robbte er sich zwischen herumirrenden Menschen hindurch in Richtung Seitenausgang.

Erst seit zwei Monaten lebt Benjamin M. in Bombay. Er arbeitet als Außenhandelskaufmann eines Handelskonzerns für Industrie- und Agrarchemikalien. Von 2001 bis 2004 hatte er bei der Firma in Hamburg seine Ausbildung absolviert, war dort anschließend als Projektmanager tätig und entschied sich im Sommer, nach Bombay zu gehen. Der 26-Jährige lebt in einer kleinen Wohnung am Stadtrand der Millionen-Metropole.

Direkt nach der Detonation des Sprengsatzes schossen die Terroristen mit Schnellfeuerwaffen in die Touristenmenge. "Es war das erste Mal, dass bewusst Westeuropäer zum Ziel wurden", sagt M. Das Cafe Leopold ist ein bei Touristen beliebter Treffpunkt. Einheimische verkehren in dem Restaurant in aller Regel nicht.

M. war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und versuchte, sich vom Anschlagsort wegzubewegen. Da er so schnell keinen Unterschlupf auf der Straße finden konnte, klopfte er an mehreren Haustüren, bis jemand öffnete und ihn hereinließ. Erst mal in Sicherheit, bemerkte der 26-Jährige, dass auch er verletzt war. "Als Erstes sah ich die Blutflecken auf meiner Hose und merkte, dass ich sowohl am Oberschenkel als auch an der Hüfte und am Fuß verwundet war. Wenig später, als ich im Haus der indischen Familie in den Spiegel blickte, entdeckte ich auch Schnitte im Gesicht." Der Außenhandelskaufmann rief das deutsche Konsulat an und schilderte seine Situation.

Kurz darauf wurde er abgeholt und zusammen mit einem Belgier und einem Australier, die ebenfalls Opfer der Anschläge geworden waren, in eine Diplomatenwohnung gefahren. Diese befand sich jedoch inmitten des Terror-Zentrums in Colaba, wo sich Polizei und Attentäter bis spät in die Nacht hinein heftige Schießereien lieferten. So konnte M. erst gestern Vormittag ins Krankenhaus gebracht werden. "Ich musste mich bis dahin selbst versorgen. Die Situation in Colaba war lebensgefährlich." Nach dem Röntgen in der Klinik dann die Diagnose: M. war von fünf Granatsplittern getroffen worden, die man jedoch gegenwärtig nicht entfernen kann. Der junge Mann kann es immer noch nicht richtig fassen, was er derzeit miterlebt. "In Bombay herrscht momentan eine ungewohnte Stille." Die Straßen sind leer, die Geschäfte geschlossen.

Gestern ruhte Benjamin M. sich erst einmal aus. "Wichtig ist für mich, dass meine Familie und meine Freunde beruhigt sind. Mir geht es so weit gut, und ich werde auch so schnell wie möglich wieder arbeiten."

Sein Kollege, mit dem er am Mittwochabend im Cafe Leopold zum Essen verabredet war, kam mit einem Schock davon. Doch für viele wird der entspannte Alltag nicht so schnell wiederkehren - bei den Anschlägen starben mehr als 100 Menschen.