Die Regierung gerät in akute Erklärungsnot: Fünf israelische Geiseln starben beim Einsatz der Eliteeinheit NSG.

Hamburg/Bombay. Wie ein Raubvogel stieß ein Hubschrauber der indischen Armee auf das Nariman House nieder, ein jüdisches Gemeindezentrum, in dem islamistische Terroristen bis zu 20 jüdische Geiseln gefangen hielten, darunter auch Israelis. Augenzeugen beobachteten, wie sich 17 Kommandosoldaten blitzartig auf das Dach abseilten und in das Gebäude eindrangen. Gleichzeitig eröffneten Scharfschützen der Armee aus den umgebenden Häusern das Feuer und gaben den Kameraden Deckung. Aus dem Nariman House waren bald Salven aus automatischen Waffen zu hören. Mit raketengetriebenen Granaten wurden Löcher in Wände gesprengt.

Aus israelischen Verteidigungskreisen gab es scharfe Kritik an der Operation der Inder: Die Spezialeinheiten hätten voreilig gestürmt ohne zuvor die Lage genau analysiert zu haben. "In einer Geisel-Situation sammeln die Sicherheitskräfte zunächst einmal am Tatort Informationen", sagte ein früheres Mitglied einer Sondereinheit des Geheimdienstes Shin Beth der "Jerusalem Post". "In diesem Fall sieht es aber danach aus, dass die Kräfte auf der Szene erschienen seien und sofort angefangen hätten, sich Schießereien mit den Terroristen zu liefern."

Wie der Direktor der indischen Antiterroreinheit NSG, General J. K. Dutt, am Ende des Tages zugeben musste, wurden fünf der israelischen Geiseln im Nariman House von den Terroristen getötet, als die NSG das Gebäude stürmte.

Außenamtssprecher Jigal Palmor bestätigte, dass Außenministerin Zipi Livni die Entsendung von israelischen Spezialeinheiten angeboten habe - was Delhi "höflich" abgelehnt habe. Nach Angaben der Zeitung "Haaretz" sind aber israelische Geheimdienstoffiziere nach Bombay geflogen, um den indischen Kommandos bei der Analyse der Lage zu helfen. Außerdem seien israelische Ärzte bereits vor Ort.

Indien und Israel unterhalten enge militärische Verbindungen. Indien ist ein Hauptkunde der israelischen Rüstungsindustrie und hat seit 2002 für mehr als fünf Milliarden Dollar in Israel eingekauft. Vor zwei Wochen war Indiens Verteidigungsminister Vijay Singh in Jerusalem, um über den Kauf von Flugzeugen und Raketen zu verhandeln. Israel bildet auch indische Eliteeinheiten aus. Die Israelis verfügen mit Einheiten wie Sayeret Matkal oder Sayeret Duvdevan über einige der besten und kampferfahrensten Sondertruppen der Welt.

Im September war der israelische Generalmajor Avi Mizrahi in Kaschmir, um sich das Vorgehen indischer Spezialeinheiten gegen islamistische Terroristen anzusehen. Mizrahi besprach dabei einen Ausbildungsplan, nach dem israelische Spezialisten die Inder in Antiterrortaktiken und Häuserkampf unterrichten sollen. Zudem sind die Inder auch von Ausbildern des legendären britischen Special Air Service trainiert worden. Der SAS gilt als Mutter aller modernen Eliteeinheiten; nach seinem Vorbild ist auch das deutsche KSK geschaffen worden. Britische Experten halten sich daher ebenfalls in Bombay auf.

Bei den NSG (National Security Guards) handelt es sich um eine 1985 gegründete Antiterrortruppe, die wegen ihrer Kleidung auch als "Schwarze Katzen" bekannt ist. Sie wurde nach den Vorbildern des SAS und der deutschen GSG 9 strukturiert. Ein NSG-Soldat starb beim Sturm auf das Nariman House, ein zweiter, ein Major, beim Kampf im Hotel Taj Mahal. Eine zweite, verdeckt operierende Eliteeinheit ist möglicherweise ebenfalls im Einsatz: die Marine Commandos alias MARCOS. Diese 1987 gegründete, 2000 Mann starke Truppe entspricht in Auftrag und Training den amerikanischen SEALs.