Der Staatschef ist für seinen Schlag gegen die mächtigen Militärs gefeiert worden. Diese scheinen sich mit der Situation abgefunden zu haben.

Kairo. Nach seinem überraschenden Befreiungsschlag gegen die Militärspitze des Landes hat der ägyptische Präsident Mohammed Mursi anscheinend die Zügel fest in der Hand. Die Generäle scheinen sich mit der Entlassung des Verteidigungsministers und des Generalstabchefs sowie Mursis Rückeroberung seiner weitreichenden Befugnisse als Präsident abzufinden, die Truppen blieben am Montag in den Kasernen.

Berichten zufolge soll Mursi seinen Schritt mit der Militärführung abgesprochen haben. Der Präsident hatte damit de facto über Nacht sein Image vom schwachen Staatschef abgelegt und war von Tausenden begeisterten Anhängern auf dem Tahrir-Platz in Kairo für seinen Schlag gegen die mächtigen Militärs gefeiert worden.

Der islamistische Präsident hatte am Sonntag Verteidigungsminister Hussein Tantawi sowie Generalstabschef Sami Annan ihrer Ämter enthoben und sie stattdessen zu seinen Beratern ernannt. Zudem riss Mursi die Kontrolle über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung an sich. Einige Verfassungszusätze, mit denen sich der Militärrat Ende Juni noch zentrale Machtbefugnisse im Land gesichert hatte, wurden ebenfalls rückgängig gemacht.

„Es gab eine Dualität der Macht“, sagt Saad Emara, ein hochrangiges Mitglied der Muslimbruderschaft. „Dies musste zugunsten einer einzelnen Autorität gelöst werden. Ein Schiff mit zwei Kapitänen sinkt.“ Der Wissenschaftler Omar Aschur vom Brookings Doha Center geht davon aus, dass die Entscheidung mit mehreren der mächtigen Generäle abgesprochen war. Der Militärrat habe in seiner bisherigen Form nicht ewig bestehen können. „Dies ist eine entscheidende Schlacht“, sagt Aschur, „aber es wird nicht die letzte gewesen sein“.

Die Entscheidungen „sind nicht gegen bestimmte Personen gerichtet oder zur Diskreditierung bestimmter Institutionen gedacht“, sagte Mursi am Sonntag in einer Fernsehansprache. Vielmehr wolle er erreichen, dass sich die Streitkräfte ganz auf ihre Aufgaben konzentrieren könnten, vor allem auf die Verteidigung des Landes. Die ägyptische Nachrichtenagentur MENA meldete unter Berufung auf Militärkreise, Mursis Entlassungen seien im Vorfeld „bedacht und koordiniert“ gewesen. Demnach gab es keine „negativen Reaktionen“ innerhalb der Streitkräfte.

Die personellen Entscheidungen wurden allerdings auch als Reaktion auf ein offensichtliches Versagen der ägyptischen Sicherheitskräfte in der vergangenen Woche interpretiert. Bei einem Überfall auf einen israelisch-ägyptischen Grenzübergang auf der Halbinsel Sinai waren 16 Soldaten getötet worden. Israel hatte vor einem bevorstehenden Angriff gewarnt. Dass die ägyptischen Sicherheitskräfte keine entsprechenden Vorkehrungen trafen, kostete in der vergangenen Woche bereits den Geheimdienstchef und den Gouverneur der Region den Job.

In der jüngsten Runde personeller Veränderungen an der Spitze der ägyptischen Sicherheitskräfte wurde am Sonntag Abdel Fattah al Sissi zum Nachfolger von Tantawi bestimmt. Tantawi leitete den Militärrat, der das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak 17 Monate lang de facto regiert hatte, und war fast 20 Jahre Verteidigungsminister unter Mubarak.

Die Nachfolge Annans soll Sidki Sajed Ahmed antreten. Den ranghohen Richter Mahmud Mekki ernannte Mursi zudem zu seinem Vizepräsidenten. Mekki hatte sich unter Mubarak öffentlich gegen Wahlbetrug ausgesprochen und tritt für Reformen in Ägypten ein. Al Sissi und Mekki wurden kurz nach der Ankündigung am Sonntag vereidigt.

Zur Beschleunigung des demokratischen Übergangs erhöhte Mursi außerdem den Druck auf die Verfassunggebenden Versammlung. Sollten die 100 Mitglieder des Gremiums ihre Arbeit aus welchem Grund auch immer nicht beenden, werde er innerhalb von 15 Tagen neue bestimmen und ihnen drei Wochen Zeit für die Ausarbeitung einer Verfassung geben, hieß es. Über den Verfassungsentwurf werde dann binnen 30 Tagen in einem Referendum abgestimmt. (dapd)