In wenigen Jahrzehnten werden Biotope und Siedlungsräume verloren gehen, Tierarten verschwinden - und Millionen Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Milliarden Menschen werden unter dem Klimawandel zu leiden haben: Unterernährung, Infektionen, Durchfall- sowie Herz-Lungen-Erkrankungen werden zunehmen, Siedlungsräume und Trinkwasserressourcen vernichtet. Dies prognostiziert der zweite Teil der globalen Datensammlung des Weltklimarats IPCC, der am Freitag veröffentlicht wurde. Auch für andere Erdbewohner wird die Erwärmung Folgen haben: Bis zu 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten könnten aussterben, wenn sich das Klima in diesem Jahrhundert um etwa zwei Grad erwärmt. Steigt das Thermometer um das Doppelte, sind mehr als 40 Prozent aller Arten akut vom Aussterben bedroht.

Der Bericht macht deutlich: Das Gesicht der Erde wird sich verändern. Korallenriffe und die mit Meereis bedeckten arktischen Gebiete sind besonders anfällig für den Wandel, so die Experten. Auch die Mittelmeerregion, Gebirge sowie die Tundra und die Wälder der nördlichen Breiten gehören zu den stark gefährdeten Lebensräumen.

765 Belege für Veränderungen in physikalischen Systemen wie der Kryosphäre (die von Eis bedeckten Oberflächen der Erde) und des Wasserkreislaufes fanden die IPCC-Experten bereits heute. Zudem sammelten sie fast 29 000 Datensätze zu Veränderungen in Flora und Fauna - gut 28 000 davon stammen aus Europa. Sie zeigen zum Beispiel, dass die Verbreitungsgebiete von Pflanzen- und Tierarten nordwärts wandern, Bäume im Frühjahr früher Blätter bekommen, Vögel früher brüten, dass Zahl und Größe der Gletscherseen zunehmen, der Boden in Dauerfrostgebieten immer instabiler wird. Bei gut 89 Prozent der Daten sei ein Zusammenhang mit der Erderwärmung belegt.

Zu den besonders gefährdeten Lebensräumen zählen auch flache Küsten, Mangrovenwälder und Salzmarschen. Sie werden zunehmend unter Überflutungen und Stürmen leiden und mit ihnen Milliarden Menschen, die am Meeressaum und an Flussmündungen leben. "Der Anstieg des Meeresspiegels wird vermutlich noch schneller geschehen als im ersten Teil des Weltklimaberichts beschrieben", sagt Prof. Wolfgang Cramer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Mitherausgeber des Berichts.

Bei einem Temperaturanstieg von drei Grad werden um die 30 Prozent der weltweiten Küsten-Feuchtgebiete verloren sein, schreiben die Autoren in der 23-seitigen Zusammenfassung des 1500 Seiten starken zweiten Berichts, um die seit Montag in Brüssel gerungen wurde - eine Erwärmung, die nach dem im Februar vorgestellten ersten Teil als wahrscheinlich gilt.

Generell werden in Zukunft mehr Menschen an Hitzewellen, Dürren und Überflutungen sterben. Ein Beispiel ist der Rekordsommer 2003: Damals starben in Paris zwischen dem siebten und 14. August täglich um die hundert Menschen, mehr als doppelt so viele wie sonst im August. .

Schon heute haben etwa 1,2 Milliarden Menschen keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser. "Hunderte Millionen Menschen werden unter zusätzlichen Wasserstress geraten", prognostiziert der Bericht. Am stärksten wird Afrika betroffen sein, wo bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen unter einem verstärkten Wassermangel leiden werden. Nicht immer ist ausbleibender Regen schuld. An der afrikanischen Ostküste könnten verstärkte Niederschläge die dortige Wasserversorgung und die Entsorgung von Abwasser überfordern, fürchten die Experten.

An der Westküste der USA wird der Wasserbedarf nach 2020 nicht mehr zu stillen sein, wenn er auf dem heutigen Niveau bleibt, warnen die Wissenschaftler, im Nordosten Brasiliens könnte die Neubildungsrate des Grundwassers bis 2050 um mehr als 70 Prozent abnehmen. Viele kleine Inseln müssen um ihre Süßwasserreservoire bangen: Die Dicke der sogenannten Frischwasserlinsen im Boden wird von 25 auf zehn Meter abnehmen, wenn der Meeresspiegel um zehn Zentimeter steigt - derzeit beträgt die Zunahme etwa drei Zentimeter pro Jahrzehnt.

In einigen Ländern könnten die Ernten um die Hälfte zurückgehen, in anderen steigen. So werden die Getreideerträge in tropischen Breiten tendenziell sinken, in mittleren und nördlichen Breiten dagegen steigen. Im globalen Durchschnitt könnte der Ertrag leicht ansteigen, wenn die Erwärmung unter drei Grad bleibt. Wenn es heißer wird, wird die Bilanz negativ. Vor allem Kleinbauern und Fischer werden das Nachsehen haben.

Wahrscheinlich wird das Vermögen der Meere, das Treibhausgas Kohlendioxid aufzunehmen, sich verändern, so der Report. Sinken die Aufnahmeraten, werde sich der Klimawandel selbst verstärken. Diesen Effekt sagen die Experten für die Landlebensräume voraus: Wenn die Temperatur um mehr als zwei Grad steigt, könnten 15 Prozent aller Lebensräume sogar zu Kohlenstoffquellen werden, anstatt ihn aus dem Kohlendioxid zu binden. Steigt die Temperatur noch stärker, könnte dies für 40 Prozent aller Landlebensräume gelten.

Die Möglichkeiten, den Klimafolgen zu begegnen, seien begrenzt, so der IPCC. Eine nachhaltige Entwicklung, also ein sozial- und umweltverträgliches Wirtschaftswachstum, könne die Anfälligkeit für Folgen des Klimawandels verringern. Wie das Klima zu schützen ist, wird der dritte Teil des Weltklima-Berichts klären. Er wird am vierten Mai in Bangkok vorgestellt.