Nato entschuldigt sich für Blutbad im Dorf am Hindukusch - US-General macht aber die Taliban für die bis zu 120 Todesopfer verantwortlich.

Hamburg/Washington

"Es war ein Tag, der unsere Erwartungen übertroffen hat", schwärmte Barack Obamas Sondergesandter für "Afpak", wie die Krisenstaaten Afghanistan und Pakistan in der Diktion der US-Administration griffig genannt werden. Der erfahrene Diplomat Richard Holbrooke bezog sich dabei auf den Dreiergipfel, den der US-Präsident mit seinen Amtskollegen Hamid Karsai aus Kabul und Asif Ali Zardari aus Islamabad in Washington gerade veranstaltete - laut Holbrooke ein "Meilenstein der Zusammenarbeit". Karsai sagte hinterher, Pakistan und Afghanistan seien "siamesische Zwillinge".

Afghanistan werde alles dazu beitragen, beiden Ländern Frieden und Wohlstand zu bringen. Zardari versicherte, dass die pakistanische Demokratie ihren Aufgaben gewachsen sei. Das pakistanische Volk stehe an der Seite der Völker in Afghanistan und in den USA im gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus.

Zynismus kann man Holbrooke nicht unterstellen - obwohl der Gipfel-Tag in Washington von einem Massaker an bis zu 120 Zivilisten im Westen Afghanistans überschattet wurde. Auch gestern noch stieg die Zahl der Todesopfer, als man weitere Leichen aus den Trümmern eines Dorfes in der Provinz Farah zog. Mitarbeiter des Roten Kreuzes berichteten, sie hätten Dutzende Leichen gesehen, darunter von Frauen und Kindern. Die Nato und die Afghanistan-Schutztruppe Isaf bedauerten, dass es bei den Angriffen Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben habe. Der amerikanische Oberkommandierende in Afghanistan, General David McKiernan, ließ hingegen durchblicken, die Schuldigen für das Blutbad könnten eher unter den Taliban zu suchen sein. Die USA stehen in Afghanistan mit ihrer Strategie von massiven Luftangriffen auf vermutete Taliban- und Al-Qaida-Stellungen seit Längerem stark unter Druck - im vergangenen Jahr kamen mindestens 2000 Zivilisten ums Leben, die meisten offenbar durch amerikanische Angriffe. Die Taliban operieren inzwischen bewusst aus Dörfern heraus, um zivile Verluste bei amerikanischen Vergeltungsschlägen zu provozieren - dies schürt zunehmend Hass auf die US-Truppen.

In dem betroffenen Dorf hatten die Taliban nach US-Angaben zunächst drei Zivilisten enthauptet, um Truppen anzulocken. Als afghanische Einheiten in einen Hinterhalt geraten seien, hätten die Amerikaner eingegriffen. Nach Ermittlungen einer Spezialeinheit der Marines hätten die Taliban das Massaker unter den Zivilisten mit Granaten angerichtet. Hunderte Bürger in der Provinzhauptstadt Farah-City bezweifelten diese Version jedoch, protestierten gegen die US-Truppen und die Regierung Karsai in Kabul, zogen vor den Amtssitz des Gouverneurs und bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen. Der Parlamentsabgeordnete Mohammed Musa Nasrat forderte die Bestrafung der "barbarischen Tat der amerikanischen Truppen". Düster hatte Barack Obama bei dem Dreier-Gipfel in Washington gesagt: "Es wird noch mehr Gewalt geben, und es wird auch Rückschläge geben." Der US-Präsident versprach besseren Schutz der Zivilbevölkerung. Die USA würden "alle Anstrengungen unternehmen, um zivile Opfer zu vermeiden".

"Die USA sind eine dauerhafte Verpflichtung eingegangen, al-Qaida zu besiegen sowie die demokratisch gewählten und souveränen Regierungen in Pakistan und Afghanistan zu unterstützen", versprach Obama. Ausdrücklich erwähnte der US-Präsident, dass auch Karsai und Zardari sich "der Ernsthaftigkeit der Bedrohung" bewusst seien. Beide hätten ihre Verpflichtung zu einem Vorgehen gegen Taliban und al-Qaida betont. Dagegen waren in den vergangenen Wochen und Monaten in Washington Zweifel laut geworden.