Enger Assad-Vertrauter erliegt am Freitag seinen Verletzungen. Uno bemüht sich um Verlängerung des Mandats für Beobachtermission.

Damaskus/Istanbul. Der syrische Geheimdienstchef Hischam Bechtjar ist nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens an den Folgen des Bombenanschlags vom Mittwoch gestorben. Der Tod sei am Freitagmorgen eintreten. Zu dieser Zeit fand in Syrien die Beisetzung der drei Mitglieder des inneren Kreises von Präsident Baschar al-Assad statt, die bei dem Selbstmordattentat getötet worden waren. Darunter war der Verteidigungsminister und ein Schwager Assads. Der Angriff wird als schweren Schlag für den Präsidenten gewertet, der seit etwa 16 Monaten gegen einen Aufstand kämpft. Dabei sind schätzungsweise 16.000 Menschen ums Leben gekommen.

+++ Kämpfe eskalieren - Assad bringt Familie in Sicherheit +++

Die Gewalt in Syrien hat unterdessen eine neue Flüchtlingswelle ausgelöst. Immer mehr Menschen fliehen vor dem Bürgerkrieg. Allein am Mittwoch haben sich nach UN-Angaben bis zu 30.000 Syrer in dem benachbarten Libanon in Sicherheit gebracht. Die heftigen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen in der Hauptstadt Damaskus bedrohten Zehntausende von wehrlosen Zivilisten, mahnte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, am Freitag in Genf. Zugleich forderte er die Konfliktparteien auf, die Zivilbevölkerung unter allen Umständen zu schützen.

Bis Mitte der Woche zählten die UN rund 120.000 syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien und Irak. Innerhalb Syriens seien rund eine Million Menschen auf der Flucht. Die Gewalt bedrohe auch die mehr als 88.000 Flüchtlinge aus dem Irak, die in Syrien leben, betonte Guterres. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres hätten 13.000 Iraker fluchtartig Syrien verlassen. Die meisten seien in den Irak zurückgekehrt. In den vergangenen Jahrzehnten waren viele Iraker vor Verfolgung und Krieg nach Syrien geflohen, darunter viele Christen.

+++Kämpfe in Syrien eskalieren, UN-Resolution scheitert+++

Trotz der zunehmenden Eskalation der Gewalt schließt Verteidigungsminister Thomas de Maizière einen Militäreinsatz der Nato unter UN-Mandat zur Beendigung des blutigen Konflikts in Syrien aus. Zunächst einmal sei man weit weg von einer Resolution der Vereinten Nationen, sagte der CDU-Politiker am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Er machte zugleich deutlich, dass ein solcher Einsatz auch aus militärischer Sicht schwierig wäre.

„Wir reden hier über einen sehr komplizierten Konflikt, faktisch über einen Häuserkampf. Das Eingreifen von außen in einen solchen Häuserkampf ist so ungefähr das Aufwendigste, was es gibt, auch sehr verlustreich“, sagte de Maizière. So hätten die USA für den Einmarsch im Irak 250.000 Soldaten benötigt. „Aus der Luft ein bisschen was zu machen, nützt gar nichts. Mit einem vertretbaren Aufwand wäre das nicht möglich.“

+++Russland und China durchkreuzen Sanktionspläne gegen Syrien+++

Die syrische Armee löst sich degegen scheinbar immer weiter auf. Doch etliche Einheiten kämpfen noch und versuchen, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Aktivisten berichteten am Freitag, nachdem Rebellen in der Nacht den Übergang Bab al-Hawa an der Grenze zur Türkei überrannt hatten, sei es dort zu heftigen Gefechten mit den Regierungstruppen gekommen.

Diese versuchten auch im Umland von Aleppo, die Revolutionäre zurückzudrängen. Der Irak schickte derweil Truppen an den von Rebellen besetzten Grenzübergang bei Al-Bukamal. Das meldete die Nachrichtenagentur Sumeria News. Schätzung von Regimegegnern, wonach sich inzwischen ein Drittel der Soldaten desertiert sein soll, ließen sich von unabhängiger Seite nicht bestätigen.

Regierungstruppen haben laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens auch ein aufständisches Viertel in der Hauptstadt Damaskus wieder vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Die Opposition bestätigte die Angaben. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte am Freitag, Truppen des Regimes von Präsident Baschar Assad seien mit Panzern in das Stadtviertel Midan eingerückt. Der in Damaskus lebende Aktivist Chaled al Schami sagte der Nachrichtenagentur AP über das Internet, Aufständische hätten einen taktischen Rückzug ausgeführt, um der Zivilbevölkerung nach fünftägigen heftigen Kämpfen einen weiteren Beschuss zu ersparen.

Binnen eines einzigen Tages waren am Donnerstag in Syrien 280 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete am Freitag, der blutige Konflikt zwischen den Regierungstruppen und den Revolutionären habe am Donnerstag landesweit mehr als 280 Opfer gefordert. Unter den Toten seien 179 Zivilisten und mindestens 98 Soldaten. Am Freitagmorgen zählte die Organisation elf Tote, darunter drei bewaffnete Regimegegner.

Unterdessen gehen auch die diplomatischen Anstrengungen weiter: Nach der Blockade einer neuen Syrien-Resolution durch Russland und China gehen die Bemühungen im UN-Sicherheitsrat um eine Verlängerung des heute auslaufenden Mandats für die Beobachtermission in dem Land weiter. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte, er habe einen neuen Resolutionsentwurf in Umlauf gebracht, der die Mission der unbewaffneten Beobachter ein letztes Mal um 30 weitere Tage verlängern würde.

+++Russland und China durchkreuzen Sanktionspläne gegen Syrien+++

Die Beobachtermission soll laut einer Kopie des Resolutionsentwurfs, die der Nachrichtenagentur AP vorlag, nur fortgesetzt werden, wenn der UN-Sicherheitsrat bestätigt, dass die syrische Regierung Artillerie und schwere Waffen aus den Städten abgezogen und ihre Truppen in die Kasernen zurückbeordert hat.

China hat dem Westen die Schuld am Scheitern der jüngsten Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat gegeben. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua warf westlichen Diplomaten am Freitag vor, während der Gespräche über die Entschließung arrogant und unbeweglich aufgetreten zu sein. Das habe letztendlich den Fehlschlag zur Folge gehabt. Der Entwurf sei nicht ausgewogen gewesen, weil er keinen Druck auf die „immer gewalttätigere Opposition“ enthalten habe.

Mit ihrem Veto hatten China und Russland am Donnerstag im UN-Sicherheitsrat die dritte Resolution zum Volksaufstand gegen den syrischen Staatschef Baschar al-Assad zu Fall gebracht. Der Sicherheitsrat sollte am Freitag erneut zusammenkommen, um über das Ende des Mandats der 300 unbewaffneten UN-Beobachter abzustimmen.

Der in Deutschland im Exil lebende syrische Oppositionspolitiker Ferhad Ahma erwartet eine weitere Zuspitzung der Lage im gerade angebrochenen Fastenmonat Ramadan. Das lehrten frühere Erfahrungen, sagte das Mitglied des Syrischen Nationalrats im Hessischen Rundfunk. Die Führung in Damaskus habe damals mit mehr Brutalität auf die vermehrten Demonstrationen im Ramadan reagiert. Das sei auch diesmal zu erwarten. „Wir rechnen damit, dass das Regime trotz Zerfallserscheinungen weiter seine Mordmaschinerie einsetzt“, sagte Ahma.

Die EU erhöht unabhängig von den schwierigen Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat den Druck auf den syrischen Staatschef Baschir Assad. Die Außenminister wollen am Montag die Sanktionen gegen Damaskus zum inzwischen 17. Mal verschärfen, hieß es am Freitag aus verschiedenen EU-Diplomatenkreisen. Zum einen solle die Umsetzung des Waffenembargos durch verpflichtende Kontrollen verdächtiger Lieferungen nach Syrien sichergestellt werden. Überdies würden bis zu 30 weitere Personen aus dem Umkreis des Regimes sowie drei weitere Institutionen oder Unternehmen auf die Liste gesetzt.

Die Listung bedeutete ein Einfrieren der Bankkonten und Einreiseverbote in die EU. Die Verhandlungen über die Einzelheiten dauerten am Freitag noch an, hieß es aus den beiden Quellen. Erst vor einem Monat hatten die Außenminister die Sanktionsschraube weiter angezogen. Seitdem stehen schon 129 Personen sowie 49 Firmen und öffentliche Institutionen auf der Liste. Sanktionen gegen die Aufständischen seien nicht vorgesehen, hieß es. Denn die Ursache der Gewalt liege „beim Regime“.

Parallel zu ihren Strafmaßnahmen dringt die EU weiter auf eine geschlossene Reaktion im Sicherheitsrat, wo China und Russland Sanktionen gegen Assad zuletzt am Donnerstag abgeschmettert hatten. „Die diplomatischen Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft“ sagte ein Diplomat. Aber die Eskalation der Gewalt erfordere dringend geschlossenes Handeln zur Umsetzung des Friedensplanes des UN-Sondergesandten Kofi Annan, erklärte EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton. Nach 16 Monaten Blutvergießens sei es von „äußerster Dringlichkeit“, dass die Staatengemeinschaft vereint einen Bürgerkrieg mit tragischen Folgen für die ganze Region verhindere.