Frankreichs Präsident verwendet seine Energie vor allem darauf, sich von seinem Vorgänger Sarkozy abzugrenzen. Seine Ziele bleiben vage.

Paris. Die gute Nachricht war, dass es nicht regnete. Bei sämtlichen Freilichtauftritten, die François Hollande seit seiner Wahl bislang absolvierte, hatte es aus Kübeln gegossen. Die Presse hat dem neuen französischen Präsidenten deshalb schon den Spitznamen "Rainman" verpasst. Doch zur Feier des Sturmes auf die Bastille am 14. Juli 1789 öffneten sich die Himmelsschleusen ausnahmsweise nicht. François Hollande saß umgeben von seinem Kabinett auf einer Bühne an der Place de la Concorde und konnte die traditionelle Militärparade trockenen Hauptes abnehmen . Seine Lebensgefährtin Valérie Trierweiler, deren Auftritt nach den Nachbeben der Twitteraffäre im Laufe der Woche mit besonderem Interesse verfolgt wurde, saß in einem beigen Trenchcoat einige Meter abseits neben Brigitte Ayrault, der Ehefrau von Premierminister Jean-Marc Ayrault.

Optimal waren die Witterungsbedingungen dennoch nicht. Ein heftiger Wind sorgte dafür, dass der Höhepunkt der Vorführung französischer Militärmacht missriet. Zum Abschluss der Parade sollten zehn Fallschirmspringer punktgenau vor dem Präsidenten landen. Wegen einer Böe nahm einer der Parachutisten einem Kameraden den Wind aus dem Schirm, und so plumpste dieser aus sechs Meter Höhe wie ein Sack Baguettemehl vor den Präsidenten. Der Soldat brach sich dabei die Kniescheibe. François Hollande sprach dem Verunfallten umgehend Trost zu: Nächstes Jahr werde es sicher besser. Das gilt womöglich auch für den Präsidenten selbst. Denn Hollande merkte man an seinem ersten 14. Juli als Staatschef an, dass er noch nicht in seine Rolle hineingefunden hat.

Einen Teil seiner Energie verwendet er darauf, die Dinge auf keinen Fall so zu machen wie sein Vorgänger Nicolas Sarkozy. Dieser hatte das Ritual des Präsidenteninterviews am Nationalfeiertag abgeschafft, weil er es verstaubt fand. Hollande hat die Tradition nun wieder belebt, verlegte das Gespräch aber in das Hôtel de la Marine. Dadurch sollte es etwas weniger präsidial wirken. Es war eine weitere Geste der Abgrenzung gegenüber Sarkozy, denn der pflegte Journalisten im Élysée-Palast zu empfangen. Vor allem auf zwei Fragen erhofften die Franzosen sich möglichst klare Antworten von ihrem Präsidenten. Doch Hollande tat das, was er am besten kann: Er blieb vage.

+++ François Hollande äußert sich zur "Twitter-Affäre" +++

Die Pläne des Automobilherstellers Peugeot, der die Streichung von 8000 Stellen angekündigt hatte, nannte Hollande "inakzeptabel". Der Staat werde sich nicht "verschaukeln lassen". Der Präsident kündigte Verhandlungen mit der Peugeot-Geschäftsführung an, der er zudem "Lügen" vorwarf, da die Entlassungspläne bereits seit Längerem existierten. Die Einflussmöglichkeiten des Staates - der bei Peugeot nichtwie bei Renault Aktionär ist - sind indes limitiert. Auch deshalb beließ es Hollande vorsichtshalber bei dem unkonkreten Versprechen, man werde etwas tun, damit der Fabrikstandort Aulnay-sous-Bois" ein "industrieller Standort bleibt". Eine Jobgarantie klingt wohl anders.

Auch bei der Frage nach der künftigen Rolle seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler verzichtete Hollande auf eine Festlegung. Die Journalistin hatte vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen mit einem Tweet, in dem sie den Gegenkandidaten von Ségolène Royal unterstützte, obwohl sich Hollande zuvor offiziell für die Mutter seiner vier Kinder ausgesprochen hatte, eine Mini-Regierungskrise ausgelöst. Trierweiler brachte damit den Präsidenten doppelt in Bedrängnis. Der Präsident hatte nicht nur Royal unterstützt, sondern den Franzosen auch vor seiner Wahl versprochen, seine Privatsphäre und sein öffentliches Amt strikt zu trennen - anders als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy, der sich mit seinem Privatleben ständig in der Presse präsentiert hatte. Öl ins Feuer goss dann am Mittwoch Hollandes Sohn Thomas, der dem Magazin "Le Point" sagte, Trierweiler habe mit ihrem Tweet das "normale Bild", das sein Vater konstruiert habe, zerstört. Außerdem würden er und seine Geschwister mit der neuen Lebensgefährtin seines Vaters nicht mehr reden. Dass Thomas Hollande die Äußerungen im Nachhinein als von der Autorin des Artikels "entstellt" bezeichnete, konnte deren Wirkung auch nicht mehr abschwächen.

Sein Vater erklärte nun in dem Fernsehinterview, er habe "seinen Nächsten" deutlich klargemacht, dass er keine Vermischung von privater und politischer Sphäre mehr wünsche. Dieses Prinzip hätten die Mitglieder der präsidialen Patchworkfamilie von nun an "genauestens zu befolgen". Valérie Trierweiler erklärte kurz danach im Fernsehsender BMTV mit gequältem Lächeln, sie werde künftig "siebenmal den Daumen kreisen lassen", bevor sie noch einmal eine Twittermeldung abschicke. Hollande bezeichnete die Rollenfindung seiner Gefährtin als "schwierigen Prozess". Sie wolle ihren Beruf weiterhin ausüben, das verstehe er. Künftig werde sie ihn nur begleiten, wenn es das Protokoll erfordere.

Bei nahezu allen anderen angesprochenen Themen blieb der Präsident ähnlich schwer zu greifen. Eine Schuldenbremse solle zwar kommen, aber nicht in die Verfassung aufgenommen werden. Eine Erhöhung der Sozialabgaben zwecks Senkung der Arbeitskosten diskutiere man "als eine unter zahlreichen Möglichkeiten", das drohende 33-Milliarden-Defizit im kommenden Jahr zu stopfen. Von "Rigeur" - also von strengem Sparkurs - möchte Hollande trotzdem nicht sprechen, er bevorzugt die Formulierung "gerechte Anstrengung". Er wolle nicht mehr alles selbst entscheiden wie sein Vorgänger, sondern ein Faktor "der Befriedung, des Ausgleichs und des Kompromisses" sein, sagte Hollande. Eine gewisse Unruhe macht sich in Paris breit, dass er vor lauter Ausgleichsbemühungen das Entscheiden ganz vergisst. Die einzige Entscheidung, die er an diesem 14. Juli verkündete, war diese: Der ehemalige Premierminister Lionel Jospin wird künftig eine Kommission zur "Moralisierung der Politik" leiten.