Eine Konferenz in Paris beschränkt sich auf Solidaritätsadressen. Russland und China verhindern weiter größeren Druck auf Assad-Regime.

Paris/Moskau. Diplomatie, sagt Guido Westerwelle, soll Kriege verhindern. Gemessen an diesem Anliegen sind der deutsche Außenminister und seine Kollegen aus aller Welt mit ihrer Syrienpolitik bislang bitter gescheitert. Nachdem Jugendliche im März 2011 in der Stadt Daraa kritische Parolen gegen das Regime des autokratischen Herrschers Baschar al-Assad an eine Wand sprühten und deshalb festgenommen wurden, ist ein blutiger Konflikt entbrannt. In den vergangenen 16 Monaten sind nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen mehr als 16.000 syrische Bürger getötet worden.

Und die Gefahr ist groß, dass der Bürgerkrieg über die Grenzen Syriens hinausgreift. Denn das Land liegt in einer der sicherheitspolitisch heikelsten Regionen der Welt, die mit dem Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sowie dem nach Atomwaffen strebenden Iran zwei weitere ungelöste Krisenherde der internationalen Diplomatie beherbergt. Nicht nur direkte Nachbarstaaten wie Libanon, Jordanien oder die Türkei, die nach dem Abschuss eines ihrer Kampfflugzeuge vor der syrischen Küste bereits das Militär an der Grenze verstärkt hat, seien gefährdet, sagte Westerwelle: "Wir müssen alles vermeiden, was Syrien einem Stellvertreterkrieg näher bringt. Das könnte am Ende eine Konfrontation heraufbeschwören, die bis nach Moskau und Peking reicht."

An diesem Freitag unternahmen Vertreter von rund 100 Staaten und internationalen Organisationen einen neuen Anlauf, um eine "politische Lösung" des Konflikts voranzutreiben. Auf Einladung Frankreichs kamen die "Freunde des syrischen Volkes" zu ihrem dritten Treffen zusammen. Doch neue Wege, Assad unter Druck zu setzen, waren auch in Paris nicht auszumachen. Es gab Solidaritätsadressen an das syrische Volk und Zusagen für humanitäre Hilfen. So stockte Deutschland seine Hilfsmittel für Medikamente und Nahrungsmittel auf, um 500.000 auf 8,5 Millionen Euro. Die Teilnehmer der Konferenz gedachten in einer Schweigeminute der Tausenden Toten des Konflikts. Schließlich waren Appelle zu vernehmen. "Assad muss gehen", sagte Frankreichs Präsident François Hollande. Ein Ende des Regimes sei unausweichlich, die Situation unerträglich: "Wir müssen das stoppen. Das sind wir dem syrischen Volk schuldig." Ein- dringlich wandte sich Hollande an Russland und China, die mit ihrer Veto- Macht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits zweimal eine Resolution gegen das syrische Regime verhindert hatten und sich dabei auf das völkerrechtliche Prinzip der Nichteinmischung in nationale Angelegenheiten beriefen. Vom konkurrierenden Prinzip einer Schutzverantwortung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit wollen beide nichts wissen.

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In der Abschlusserklärung des Treffens wird "dringend" ein Beschluss nach Kapitel VII der Uno-Charta angemahnt, um Maßnahmen nach Artikel 41 durchzusetzen. Damit könnten - unter Ausschluss von Waffengewalt - weltweit gültige Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt werden. Angesichts des Widerstands der beiden Veto-Mächte Russland und China ist dafür im Sicherheitsrat jedoch weiterhin keine Mehrheit in Sicht. Als Gastgeber des Treffens forderte Hollande Moskau und Peking deshalb auf, ihre Blockade zu beenden. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton bat beide Länder, nicht weiter "an der Seitenlinie zu stehen".

Das Problem: Russen und Chinesen waren erst gar nicht nach Paris gereist. Westerwelle hatte am Donnerstag bei einem Besuch in Moskau vergeblich versucht seinen Kollegen Sergej Lawrow von dessen Position an der Seite Assads abzubringen. Für die Forderung des Westens, den Druck auf Assad mit einer Resolution zu erhöhen und ihn nach Möglichkeit ins Exil zu zwingen, erntete er sogar Spott: Vorschläge aus dem Westen, Assad könne in Russland Asyl erhalten, wies Lawrow als "Witz" zurück und konterte: "Nehmt ihr ihn doch." Dass er dabei aus vertraulichen Gesprächen seines Präsidenten Wladimir Putin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zitierte, verärgerte die Bundesregierung: Man sei darüber "überrascht", hieß es im Bundespresseamt.

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Nach Frankreich eingeladene Vertreter der syrischen Opposition warfen der internationalen Gemeinschaft in Paris Untätigkeit vor und forderten ein mutiges Eingreifen statt immer neuer Erklärungen. Das ist der Ruf nach einer militärischen Intervention, die aber keiner der westlichen Staaten wirklich will. Stattdessen wurden die arabischen Staaten aufgefordert, Druck auf Russland zu machen und ihre Wirtschaftsbeziehungen zu Assad abzubrechen. Und wen genau solle man unterstützen, fragte ein Diplomat in Paris. Die Opposition sei zersplittert in säkular und religiös motivierte Kräfte.

Eine einheitliche Linie der maßgeblichen internationalen Kräfte brachte auch diese Konferenz nicht. Man werde wohl eine heimliche Militarisierung des Bürgerkriegs erleben, hieß es unter Diplomaten. Katar und Saudi-Arabien lieferten bereits Waffen an ihnen genehme Teile der Opposition. "Die Zeit für eine politische Lösung läuft aus", mahnte Westerwelle. Doch noch sei die Diplomatie nicht am Ende. Trotz der jüngsten Brüskierung durch Lawrow will der Deutsche deshalb mit Moskau in Kontakt bleiben: "Wenn ich aufhöre, auf Russland einzuwirken, dann gebe ich die Menschen in Syrien auf." Die Gespräche seien äußerst mühsam, sagte Westerwelle, "aber sie müssen weitergehen".