Hanna Saliba lebt seit 41 Jahren in Hamburg und schreibt Erfolgsgeschichten. Saliba sagt: “Ich bin jemand, der immer neu aufbrechen muss.“

Hamburg. Wenn Hanna Saliba vor seinem Restaurant in den Alsterarkaden steht, wenn Freunde und Nachbarn auf einen Mokka-Plausch vorbeischauen, fühlt er sich ein bisschen wie in Latakia, seiner syrischen Heimatstadt. Um die Mittagszeit trifft man ihn dort, der kleine Stehtisch am Eingang zur Mellin-Passage ist das Informationszentrum zwischen der Kleinen Alster und dem Neuen Wall.

Hanna Saliba, 61, ein freundlicher Bär von einem Mann, hat gelernt, etwas mehr Ruhe zu genießen. 1971 nach Hamburg gekommen, besuchte er die Seefahrtschule, machte sein Patent als Kapitän auf großer Fahrt und fuhr bis 1984 zur See. "Ich bin jemand, der immer neu aufbrechen muss."

Ein Erlebnis an Bord holte ihn ans Land zurück. "Mein Erster Offizier kam eines Tages weinend aus der Funkbude. Als ich ihn fragte, warum, sagte er: 'Mein kleiner Sohn hat angerufen und gesagt: Papa, Papa, ich kann jetzt alleine pinkeln.'" Da wurde dem Syrer aus Hamburg klar: "Wenn deine Kinder mal so weit sind, willst du dabei sein." Seine Frau Bea, eine Holländerin, hatte er 1976 geheiratet. "Ich hab sie auf einer Party gesehen und gesagt: 'Ich pass gut zu dir.' Das hat bis heute gehalten."

Gastronom wurde er, weil er oft, wenn er essen ging, dachte: "Also das kann ich auch." Seine guten Kontakte zur Kombüse hatten ihn selbstbewusst gemacht; und syrische Küche gab es in Hamburg nicht. 1985 an der Osterstraße machte er sein eigenes Restaurant auf.

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Das Saliba wurde ein Sensationserfolg. "Das war gefährlich. Erfolg macht nämlich süchtig." Fortan eröffnete Saliba alle zwei Jahre ein neues Restaurant - Steinstraße, das märchenhafte Saliba an der Leverkusenstraße, die Gastronomie im Museum für Völkerkunde und im Bucerius-Kunst-Forum, das Mezze, den Grill of Arabia, gleich doppelt, einen Catering-Service. Er wurde eine Art Vorzeigeausländer, der es bis auf die Plakate der Haspa brachte.

2005 eröffnete ihm Sohn Elyas, dass er nicht in dieses Geschäft einsteigen wolle. Tochter Hilaneh will Lehrerin werden. Also begann Hanna Saliba, sein kulinarisches Imperium zu verkaufen - mit Ausnahme des Treffpunkts in den Alsterarkaden, wo er inzwischen seit 20 Jahren residiert. Heute ist er froh über die Verkleinerung: "Ich habe meine Grenzen kennengelernt."

Auf dem Sofa sitzen kann er immer noch nicht. Also kaufte er ein Haus in Damaskus, 300 Jahre alt, mit Terrassen und Orangenbäumen, und machte daraus ein Gästehaus im Stil von 1001 Nacht. Und organisierte Reisen nach Syrien. Anderthalb Jahre lief das gut, dann begannen die Unruhen dort, im April 2011 musste Saliba sein Hotel vorläufig schließen. Syrien ist Hauptthema am Stehtisch. Drei-, vier-, fünfmal pro Tag telefoniert Saliba mit der Heimat - Verwandte, Freunde, Geschäftspartner. "Früher sagten sie: Wir leben zwischen Hoffen und Bangen, und heute: zwischen Bangen und Depression."

Der große Mann schaut auf die Schwäne unten und wirkt hilflos: "Ich bin überrascht, wie barbarisch die Menschen dort sein können. Ich hätte nie vermutet, wie viel kriminelle Energie da ausbricht. Ich bin voller Sorge um das Volk, das ich so ganz anders kennengelernt habe. Im Augenblick durchschaut hier niemand, was dort wirklich läuft." Wie man den Konflikt lösen kann? "Ich denke, es muss eine neue Seite im Buch der Geschichte aufgeschlagen werden."

Er selbst erlebte in seiner Jugend ein Klima der Toleranz. "In Latakia gab es vier französische Schulen und zwei amerikanische, die Hälfte der Schüler dort war Moslems. Es gab zwölf Moscheen und zehn Kirchen, ob einer Moslem war oder Christ, merkte man erst an den Trauerzügen." Die Salibas sind eine römisch-orthodoxe christliche Familie (Saliba heißt "Kreuz"), die ihre Ursprünge bis ins Jahr 63 nach Christus zurückführen kann.

Statt nach Syrien führen seine Reisen nun in die orientalisch-märchenhafte Welt von Usbekistan - Taschkent, Samarkand, Buchara, Chiwa. Fünf Reisen sind 2013 geplant, die Prospekte im Restaurant und unter www.saliba.de finden reges Interesse. Und an einem neuen Buch arbeitet er: Erinnerungen an die Kindheit in Latakia, die Zeit auf See und "Gedanken über das Aktuelle".

Immer hat er Zeit für einen Plausch am Stehtisch, ist großzügiger Gastgeber. Er wirkt gelöst, manchmal sogar glücklich. Und verrät mit einem Augenzwinkern: "Ich sehe meine Kunden hier fast wie Patienten." Wie bitte? "Na ja, sie kommen zu mir, genießen das Saliba-Lebensgefühl, und dann geht es ihnen besser, sie fühlen sich gesund - und das ist kein Märchen aus 1001 Nacht."