UN-Vermittler Kofi Annan schlägt eine Übergangsregierung vor – mit Vertretern von Regime und Opposition. Umsetzung noch unklar.

Genf/Beirut/Damaskus. Zur Beendigung der blutigen Kämpfe in Syrien hat der Sondergesandte Kofi Annan die Bildung einer Übergangsregierung aus Vertretern des Assad-Regimes und der Opposition vorgeschlagen. Der neue Plan des Syrien-Beauftragten von UN und Arabischer Liga soll am Samstag in Genf von den Außenministern der fünf ständigen Mitgliedsländer des Weltsicherheitsrates sowie der Arabischen Liga beraten werden. Ob er angenommen und dann tatsächlich umgesetzt wird, sei jedoch „völlig offen“, sagten Diplomaten am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in Genf.

Die Opposition in Syrien zeigte wenig Begeisterung für den Plan. „Wir werden an keinem Dialog oder politischen Arrangement mit dem Regime teilnehmen, solange (der syrische Präsident Baschar) Al-Assad nicht abgetreten oder von der Macht entfernt ist“, sagte der Sprecher des Syrischen Nationalrates, George Sabra, der dpa in Beirut.

Die Formulierungen in Annans Entwurf ließen aber noch offen, ob Assad an der vorgeschlagenen Übergangsregierung beteiligt werden soll oder nicht, hieß es in Genf. Nach dem Vorschlag Annans sollten alle Kräfte von der Regierungsbildung ausgeschlossen werden, die nicht mehr glaubwürdig zu einem Versöhnungsprozess beitragen könnten. Dies könne sich sowohl auf die Spitze um Assad als auch auf bewaffnete Rebellen-Gruppen beziehen, die nach Erkenntnissen von UN-Ermittlern für Verbrechen an der Zivilbevölkerung verantwortlich sind.

Russland hatte zuvor signalisiert, es würde einem geregelten Abschied Assads von der Macht nicht im Wege stehen, aber nur wenn dabei die politische Stabilität in Syrien unbedingt gewährleistet wäre. Einseitige Forderungen nach einem Rücktritt Assads wies der russische Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag erneut zurück.

+++Erdogan droht Syrien: "Die Rache wird fürchterlich sein"+++

+++Assad spricht erstmals von Krieg im eigenen Land+++

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte am Donnerstag in Riga: „Wir wollen dieses Treffen in Genf.“ Davor werde sie aber noch mit Lawrow in St. Petersburg darüber reden, wie in Syrien ein Übergang erreicht werden könne, der „internationalen Menschenrechtsstandards und verantwortungsvoller Staatsführung entspricht“. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sieht in dem Genfer Treffen eine möglicherweise entscheidende Wegmarke. Eine politische Lösung hänge allerdings wegen der eskalierenden Gewalt „am seidenen Faden“, sagte Westerwelle am Donnerstag in Berlin.

Der Abschuss eines türkischen Militärjets durch die syrische Luftabwehr vor knapp einer Woche verschärft die Spannungen in der Region immer noch. Das türkische Staatsfernsehen TRT berichtete am Donnerstag, die Türkei installiere Raketenabwehrsysteme in den Grenzprovinzen Hatay und Gaziantep. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte am späten Mittwochabend Bewegungen von Militärfahrzeugen in den Provinzen Sanliurfa und Hatay gemeldet - darunter ein Konvoi bestehend aus 30 Militärfahrzeugen.

In Syrien wird der Konflikt auch für die Bewohner der von Kampfhandlungen bislang verschonten Hauptstadt Damaskus immer greifbarer. Auf dem Parkplatz des Justizpalastes im Zentrum von Damaskus explodierten am Donnerstag zwei Sprengsätze. Drei Menschen wurden verletzt und 20 Fahrzeuge beschädigt, bestätigten die staatlichen Medien. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand.

Landesweit wurden bei Kampfhandlungen am Donnerstag mindestens 70 Menschen getötet, berichteten syrische Aktivisten. Die meisten Opfer habe es im Großraum Damaskus gegeben. Die Regime-Truppen konzentrierten ihre Angriffe auf Hochburgen der Opposition im Umland der syrischen Hauptstadt, hieß es.

Unbekannte ermordeten in der Nacht zum Donnerstag einen Funktionär der radikalen palästinensischen Hamas-Organisation. Kamal Ghanascha, auch Abu Nisar al-Mudschahid genannt, wurde in seinem Haus in der Ortschaft Kadissija bei Damaskus getötet. Das Opfer war ein enger Mitarbeiter des Hamas-Waffenbeschaffers Mahmud al-Mabhuh, den israelische Agenten im Januar 2010 in einem Hotelzimmer in Dubai ermordet hatten.

Ghanascha sei „kein Heiliger“ gewesen, meinte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak. Viele hätten ein Interesse an seinem Tod gehabt, zitierte ihn die Zeitung „Times of Israel“ aus einem Interview mit dem Armeeradio. Zu Vorwürfen der Hamas, Israel stecke hinter dem Anschlag, äußerte sich Barak nicht. (dpa)