Nach dem Abzug der letzten amerikanischen Truppen befürchtet Nahost-Experte Jochen Hippler ein Aufkeimen zurückgedrängter Konflikte.

Köln. Nach dem Abzug der letzten US-Truppen aus dem Irak am Wochenende droht dem Land nach Ansichten des deutschen Nahost-Experten Jochen Hippler ein Bürgerkrieg. „Diese Gefahr ist latent vorhanden“, sagte der Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen am Montag im WDR. Er verwies auf die Auseinandersetzungen zwischen schiitischen und sunnitischen Extremisten sowie lange zurückgedrängte Konflikte zwischen der arabischen und der kurdischen Bevölkerung.

Andererseits sei das Gewaltniveau seit Ende 2006 „dramatisch gesunken“, betonte Hippler. Damals seien jeden Monat etwa 3.500 Menschen bei politisch motivierter Gewalt ums Leben gekommen, heute liege diese Zahl bei 200. Insgesamt sieht Hippler den Irak vor immensen Herausforderungen. Zu den wieder wachsenden ethnischen Konflikten kämen wirtschaftliche Probleme – das Land sei weiter stark vom Ölpreis und von direkter oder indirekter Unterstützung der USA abhängig.

Außerdem sei die Glaubwürdigkeit des politischen Systems nach wie vor gering. „Allerdings wäre das in einem oder zwei Jahren wahrscheinlich auch nicht wesentlich besser gewesen“, fügte Hippler mit Blick auf den Zeitpunkt des US-Truppenabzugs hinzu. Ministerpräsident Nuri al-Maliki ist nach Hipplers Einschätzung seit den Wahlen im Frühjahr 2010 geschwächt. Außerdem versuche er, an den regulären Sicherheitsbehörden „vorbeizuregieren“, das führe zu „sicherheitspolitischem Durcheinander“.

(Mit Material von epd)