Die letzten Einheiten verlassen einen noch immer instabilen Irak. Auf die Soldaten wartet zu Hause eine angeschlagene US-Wirtschaft.

Washington/Bagdad. Zuletzt schickte US-Präsident Barack Obama seinen Vize Joe Biden in den Irak. Außerdem musste Verteidigungsminister Leon Panetta in Bagdad den letzten amerikanischen Militärstützpunkt dichtmachen. Obama selbst wollte sich zum Ende des Einsatzes nicht im Irak fotografieren lassen. Denn der Irak ist heute - knapp neun Jahre nach der Invasion der US-Truppen zum Sturz von Präsident Saddam Hussein - keine Erfolgsstory. Am Sonntag zogen die letzten Soldaten ab. Der Krieg kostete etwa 100 000 Iraker und 4500 US-Soldaten das Leben.

Und noch während die letzten US-Soldaten die Grenze nach Kuwait überquerten, fielen die irakischen Politiker übereinander her. Der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki wolle die Parlamentarier dazu bringen, dem sunnitischen Abgeordneten Saleh al-Mutlak das Vertrauen zu entziehen. Die Fraktion der säkularen Al-Irakija-Liste beschloss daraufhin, die Sitzungen des Parlaments zu boykottieren.

Derweil klagt der Gouverneur der im Norden an Bagdad angrenzenden Provinz Dijala, Abdel Nasr al-Mahdawi, über "Milizen, die von einigen Polizisten unterstützt werden, die politische Hintermänner haben". Diese sperrten willkürlich Straßen und töteten Zivilisten. Kurz darauf stirbt ein Angehöriger des kurdischen Geheimdienstes in Dijala durch eine Magnetbombe.

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Schon unter Saddam, der die Schiiten und Kurden diskriminiert hatte, gab es im Irak Animositäten zwischen den ethnischen und konfessionellen Gruppen. Diese haben sich dadurch verschärft, dass die Amerikaner die von den Sunniten dominierten Institutionen zerstörten. Die Provinzen Dijala und Salaheddin haben kürzlich einen Antrag auf Autonomie gestellt.

"Die Anwesenheit der Amerikaner im Irak hat dem Land großen Schaden zugefügt", sagte der irakische Regierungssprecher Ali al-Dabbagh. Die US-Soldaten hätten sich den Irakern gegenüber arrogant verhalten. Der Anblick ihrer Panzer sei für jeden Iraker schmerzhaft gewesen - ein notwendiges Übel, das man wegen der schwierigen Lage leider habe in Kauf nehmen müssen. Anders sehen es die Angehörigen der kurdischen Minderheit. Sie wissen, dass sie ihre Teilautonomie in den drei Nordprovinzen Erbil, Dohuk und Suleimanija den Ausländern zu verdanken haben. "Ohne die Amerikaner können wir nicht richtig atmen", klagt der in Erbil lebende kurdische Rentner Kadir Hama. "Sie haben uns Sicherheit und Wohlstand gebracht, was wir in Jahren des bewaffneten Kampfes nicht erreicht hatten."

Viele Kurden hätten es deshalb lieber gesehen, wenn der Einsatz der US-Truppen verlängert worden wäre. Doch dafür war im Parlament in Bagdad, wo die religiösen Parteien der Schiiten das Sagen haben, keine Mehrheit zu finden. Zwar ist die Zahl der Terroranschläge und Attentate in den vergangenen vier Jahren etwas zurückgegangen. Doch die Sicherheitsbehörden zählen immer noch rund 30 Terrorakte pro Woche.

In den USA hat Präsident Barack Obama sein Versprechen eingelöst: Weihnachten sind alle Soldaten aus dem Irak zu Hause. Doch dort geht es vielen schlecht. Amerika liebt und verehrt seine Soldaten, sie sind in den Augen der Nation Helden. Aber das heißt nicht, dass die US-Militärfamilien auf Rosen gebettet würden, auch nicht jene Soldaten, die ihr Leben im Irak oder in Afghanistan riskiert haben. Die Heimkehrer erwartet eine US-Wirtschaft, die müde vor sich hin dümpelt. Die Arbeitslosigkeit ist mit 8,6 Prozent immer noch hoch. Veteranen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im US-Militär waren, sind besonders hart betroffen. Hier liegt die Arbeitslosenquote bei zwölf Prozent, unter den männlichen Veteranen zwischen 20 bis 24 Jahren ist gar jeder Dritte ohne Job, wie "USA Today" unlängst vorrechnete.

Ein Hauptproblem sei, dass viele zivile Arbeitgeber den Wert der Fähigkeiten und militärischen Erfahrungen der Ex-Soldaten nicht verstünden, beklagte Tom Tarantino von der Organisation Iraq and Afghanistan Veterans of America (IAVA) in einer Kongressanhörung. Und wer einen Job finde, der erhalte dafür oft weniger Geld als ein vergleichbarer Nichtveteran.

Dabei geben sich Regierung und Kongress durchaus Mühe, Soldaten und Veteranen nicht im Regen stehen zu lassen. So beschlossen Demokraten und Republikaner in seltener Einmütigkeit ein Gesetz über Steueranreize für Firmen, die Ex-Soldaten einstellen. Aber die Probleme dürften im Zuge des Afghanistan-Abzuges noch größer werden. Das Weiße Haus schätzt, dass eine Million Soldaten in den nächsten fünf Jahren ins Zivilleben eintreten.