Der rechtsradikalen Massenmörder von Utøya und Oslo soll unzurechnungsfähig sein. Ihn erwartet wohl die geschlossene Psychiatrie.

Kopenhagen/Oslo. Sein Verbrechen wird ihn wohl für immer als Patienten in eine geschlossene Psychiatrie bringen - aber nicht als Verurteilten in eine Haftanstalt. Die überraschende Einstufung des Massenmörders Anders Behring Breivik als unzurechnungsfähig durch zwei Rechtspsychiater hat entscheidende Weichen für den Prozess zum Mord an 77 Menschen gestellt, der im April beginnen soll.

+++Breivik nach Gutachten gekränkt+++

+++Breivik bittet um seelischen Beistand+++

Der zuständige Staatsanwalt Svein Holden gab an, dass Breivik nach Meinung der Psychiater komplett von "bizarren und größenwahnsinnigen Zwangsvorstellungen" beherrscht sei. "Danach kann er nach eigener Auffassung entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss", berichtet Holden weiter aus dem 243 Seiten umfassenden Gutachten. Die endgültige Entscheidung über die Zurechnungsfähigkeit oder Unzurechnungsfähigkeit Breiviks trifft das zuständige Gericht.

Holden sagt, die Rechtspsychiater hätten ihn als jemanden geschildert, "der sich für den perfektesten Ritter seit dem Zweiten Weltkrieg hält" . Breivik habe in den 13 Gesprächen von insgesamt 36 Stunden Dauer auch vermittelt, dass er sich für einen "zukünftigen Regenten" halte. Er habe außerdem menschliche "Zuchtprojekte mit Norwegern in Reservaten" angekündigt. In ganz Norwegen hatten Überlebende und Hinterbliebene der meist jugendlichen Opfer von zwei Anschlägen Breiviks diesen Dienstag mit neuem Bangen erwartet. Dass dem rechtsradikalen Islamhasser nun mit der Einordnung als "psychotisch" sowie "paranoid schizophren" die Schuldfähigkeit wahrscheinlich abgesprochen wird, enttäuschte viele dieser bereits extrem geprüften Menschen.

"Seine politischen Absichten hat er doch klar geäußert, und sie sind nicht in einem Vakuum entstanden", sagte die junge Torunn Husvik, Überlebende des Massakers auf der Insel Utøya, der Nachrichtenagentur NTB. Sie sei wegen der ausführlichen Darlegung der Motive in Breiviks "Manifest", seiner detaillierten Planung des Bombenanschlags in Oslo und der Attacke auf das sozialdemokratische Utøya-Jugendlager völlig sicher gewesen, dass Breivik für zurechnungsfähig erklärt würde. Paradoxerweise teilt die junge Norwegerin diese Enttäuschung ausgerechnet mit dem Täter. Unzurechnungsfähigkeit sei das Schlimmste, was ihm passieren könne, hat der 32-Jährige nach Angaben seiner Anwälte in der Haftanstalt Ila erklärt: Für das auf zehn Wochen angelegte Gerichtsverfahren in Oslo hofft er auf maximale öffentliche Aufmerksamkeit für seine Erklärungen zu den schrecklichen Morden, die er "aus Liebe zum norwegischen Volk" begangen haben will.

Als total verrückter Einzelgänger? Oder als Teil einer höchst gefährlichen rechtsextremen Terroristenszene? In Norwegen wird diese Frage bisher auch deshalb nur zurückhaltend diskutiert, weil Breivik nach Überzeugung der Polizei als Einzeltäter gehandelt hat. Ein aktives Umfeld wie etwa bei der Mordserie der deutschen Rechtsradikalen-Gruppe aus Zwickau ist bei dem Norweger nicht erkennbar.

Hier richtet sich die Aufmerksamkeit der Medien vor allem auf die Person des Täters: Über sexuellen Missbrauch Breiviks im Alter von vier Jahren berichtete der TV-Sender NRK diese Woche. Breiviks Verteidiger Geir Lippestad meldete sich mit der Forderung nach Strafmilderung zu Wort, weil der Attentäter "mit der Polizei zusammenarbeitet" und ein volles Geständnis abgelegt habe. Medien stehen nach Angaben aus der Haftanstalt Ila Schlange für ein Interview mit dem nach vier Monaten nicht mehr so streng isolierten U-Häftling. Im Fernsehen mussten vergangene Woche Hinterbliebene die Stimme Breiviks hören, wie er während des Massakers auf Utøya per Handy der Polizei die Aufgabe "anbietet" - um danach seine mörderische Jagd auf Teenager fortzusetzen.