Die Teilnehmer des G-20-Gipfels haben stets ein Ohr in Griechenland, wo sich am Donnerstag die Ereignisse überschlugen. Athen kennt jetzt die Schmerzgrenze der Euro-Partner - was Premier Papandreou wohl die Macht kostet.

Athen/Cannes. Die Schuldenkrise in Griechenland kostet den sozialistischen Premier Giorgos Papandreou die Alleinherrschaft. Die konservative Opposition will nur in die Regierung einsteigen, wenn der Sozialist zurücktritt und den Weg für Neuwahlen frei macht. Unter massivem Druck der europäischen Partner und auch aus seiner eigenen Partei ließ Papandreou die Idee, ein Referendum über internationale Hilfen abzuhalten, plötzlich fallen.

Deutschland, Frankreich und die EU hatten in der Nacht zum Donnerstag, am Vorabend des G20-Gipfels von Cannes, mit aller Härte auf die da noch ungebrochene Ankündigung der Volksabstimmung reagiert: Acht Milliarden Euro Hilfsgelder wurden auf Eis gelegt, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wurde nicht mehr ausgeschlossen.

+++Was droht bei einer ungeordneten Griechenland-Pleite?+++

Es sind echte Chaostage in Athen: Papandreou gab die Volksabstimmung auf, um mit Oppositionschef Antonis Samaras ins Gespräch zu kommen. Dieser forderte danach den Rücktritt Papandreous. Erst dann sei eine gemeinsame Übergangsregierung möglich, die für kurze Zeit im Amt sei, "damit wir nicht bankrottgehen“. Am Abend blieb offen, ob Papandreou sich dem beugt, oder ob es einen anderen Weg aus der Krise gibt. Vor dem Parlament signalisierte Papandreou jedenfalls, dass er nicht an seinem Amt hänge.

Bundeskanzlerin Angela Merkel machte noch einmal klar, dass Griechenland in der Pflicht stehe. "Für uns zählen Taten, nichts anderes“, sagte Merkel. Das Land müsse die Reform- und Spar-Beschlüsse des EU-Gipfels vom 27. Oktober umsetzen. Der französische Präsident und G20-Gastgeber Nicolas Sarkozy begrüßte den Verzicht auf das Referendum: "Das ist eine interessante Erklärung.“

Bevor der Gipfel der Staats- und Regierungschef der führenden Volkswirtschaften der Erde (G20) am Donnerstagmittag begann, kamen auch aus Rom Meldungen, die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi stehe vor dem Ende, Neuwahlen würden sondiert.

Sarkozy forderte den politisch angeschlagenen Berlusconi zum entschlossenen Kampf gegen die Schuldenkrise auf. "Er weiß selbst, dass es darum geht, das (Reform- und Spar-)Paket nun umzusetzen“, sagte Sarkozy am Abend nach Abschluss des ersten Gipfeltages.

Allerdings brachte Berlusconi wenig Greifbares zum G20-Gipfel mit. In einer Krisensitzung bis in die Nacht hatte er sich mit seinem Koalitions-Kabinett nur mit Mühe auf eher kosmetische Zusätze eines Konjunkturprogrammes geeinigt, wie Medien berichteten. Staatspräsident Giorgio Napolitano prüfe Neuwahlen.

Eigentlich wollte Europa beim Gipfel in dem französischen Badeort sein umfassendes Maßnahmenpaket gegen die Schulden- und Bankenkrise präsentieren.

+++ G-20-Gipfel im Liveticker +++

Der um seine Wiederwahl im nächsten Jahr kämpfende US-Präsident Barack Obama kritisierte, dass die europäischen Probleme das globale Wachstum gefährdeten. "Unsere wichtigste Aufgabe in den nächsten zwei Tagen ist es, die Finanzkrise in Europa zu lösen.“

Die USA ringen weiter mit den Folgen der Krise nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008: schwache Konjunktur, hohe Arbeitslosenzahl und wenig Hoffnung auf rasche Wende.

Die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem neuen Präsidenten Mario Draghi senkte nicht nur den Leitzins im Euro-Raum von 1,5 auf 1,25 Prozent. Draghi sicherte auch zu, dass die EZB weiter Staatsanleihen der Euro-Schuldenstaaten aufkauft.

Die letzten Prognosen deuteten auf ein schwächeres Wachstum in Europa und den USA hin. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite und können Investitionen und Konsum ankurbeln. Billiges Geld heizt auch die Inflation an.

Seit Mai 2010 steckte die Notenbank Milliarden in Staatsanleihen von Schuldenstaaten wie Griechenland, Portugal und Italien. Ein umstrittener Schritt. Banker sehen die Unabhängigkeit der EZB von Politik verletzt.

Die europäische Schulden- und Bankenkrise drängte die eigentlich wichtigen Aufgaben der führenden Volkswirtschaften, der Gruppe der 20 (G20), zunächst in den Hintergrund.

Die G20-Staaten stritten weiter über Maßnahmen gegen gefährliche Spekulationsgeschäfte. Nach Entwürfen für die Abschlusserklärung des Gipfels scheiterte Sarkozy mit der Einführung einer globalen Bankenabgabe auf Finanzgeschäfte. "Wir erkennen die Initiativen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in einigen unserer Staaten an“, heißt es lapidar in einem Nebentext.

Als einer der größten Gegner einer Finanztransaktionssteuer gelten die USA. Sie halten eine Bankengebühr auf die Verbindlichkeiten der größten Geldhäuser für die bessere Lösung, um die Finanzindustrie an den Belastungen durch die Krise zu beteiligen.

Bei den angestrebten Reformen des Weltwährungssystems zeichnet sich keine rasche Lösung ab. "Der Aufbau eines stabilen und belastbaren Weltwährungssystems ist ein langfristiges Unterfangen“, heißt es in dem Entwurf.

Offensichtlich Einigkeit herrschte, Schattenbanken unter Aufsicht zu stellen. Die G20 verpflichtet sich laut dem Entwurf, der der Nachrichtenagentur dpa vorlag, "die Regulierung und Aufsicht“ zu stärken. Der Umfang von Schattenbanken ist deutlich gewachsen - zwischen 2002 und 2010 von geschätzten 25 Billionen US-Dollar auf inzwischen 60 Billionen.

An der französischen Mittelmeerküste sind neben den großen westlichen Industriestaaten auch aufstrebende Nationen wie China, Indien, Brasilien und Mexiko mit ihren Staats- und Regierungschef vertreten. Für das Treffen in dem südfranzösischen Seebad sind 12.000 Polizisten und Sicherheitskräfte aufgeboten.