Begegnung mit New Yorker Zimmermädchen sei ein Fehler, aber keine Straftat gewesen. Strauss-Kahn äußerte sich erstmals wieder öffentlich.

Paris. Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, hat sich erstmals öffentlich zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn geäußert. „Was passiert ist, war (...) ein Fehler“, sagte der 62-Jährige am Sonntagabend in einem Interview des Fernsehsenders TF1. „Es war ein moralischer Fehler, auf den ich nicht stolz bin. Ich bedauere ihn jeden Tag.“

Strauss-Kahn betonte jedoch, dass bei seiner Begegnung mit dem New Yorker Zimmermädchen Nafissatou Diallo weder Gewalt noch Zwang im Spiel gewesen sei. Es habe keine strafbare Handlung, sondern nur eine „unangemessene Beziehung“ gegeben. „Es war ein Fehler gegenüber meiner Frau, meinen Kindern und meinen Freunden, aber auch ein Fehler gegenüber den Franzosen, die mit mir eine Hoffnung auf Wandel verbunden haben“, sagte Strauss-Kahn.

In Umfragen galt der frühere französische Wirtschafts- und Finanzminister bis zu seiner Festnahme im Mai als aussichtsreichster möglicher Kandidat der französischen Sozialisten bei der Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr. Im Interview gab der Politiker jetzt erstmals öffentlich zu, dass er vorhatte, gegen den amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy anzutreten. In der Zeit als IWF-Chef habe er sich nicht zu seinen Absichten bekennen dürfen.

+++ Frei und doch am Ende +++

Eine schnelle Rückkehr ins aktive politische Leben schließt Strauss-Kahn derzeit aus. Es sei nicht seine Rolle, sich in die derzeit laufende Kandidatenkür bei seiner Partei einzumischen. Er selbst werde definitiv nicht bei der Präsidentschaftswahl kandidieren. „Ich werde mich zunächst einmal ausruhen (...) und mir Zeit zum Nachdenken nehmen.“

Wie erwartet machte Strauss-Kahn keine genauen Angaben dazu, was am 14. Mai in dem New Yorker Hotelzimmer passierte. Er verneinte allerdings, dass es sich bei dem Verhältnis um bezahlten Sex gehandelt habe.

Das Zimmermädchen hatte den 62-Jährigen wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt und ihm vorgeworfen, sie zu Oralsex gezwungen zu haben. Strauss-Kahn wurde festgenommen und musste drei Nächte im Gefängnis verbringen. Während der Untersuchungshaft trat er als Chef des Internationalen Währungsfonds zurück.

Weil es Zweifel an der Glaubwürdigkeit der jungen Frau gab, wurde das Strafverfahren gegen Strauss-Kahn im August eingestellt, und er konnte in sein Heimatland Frankreich zurückkehren. In New York läuft noch eine Zivilklage um Schadenersatz. Dass es einen sexuellen Kontakt zwischen dem Franzosen und der Hotelangestellten gab, ist erwiesen. Beim Vorwurf der versuchten Vergewaltigung steht allerdings Aussage gegen Aussage.

Auch in Frankreich gibt es Vorwürfe gegen ihn. Eine heute 32-jährige Autorin wirft Strauss-Kahn vor, 2003 in einer Pariser Wohnung über sie hergefallen zu sein. Die Justiz hat Vorermittlungen eingeleitet. „Ich bin als Zeuge vernommen worden“, sagte er am Sonntagabend. Auch in dem Fall habe es keinerlei Aggression gegeben.

Vor den TF1-Studios demonstrierten Dutzende Frauenrechtlerinnen gegen das Strauss-Kahn-Interview. Sie kritisierten, dass Opfer von Gewalt- und Sexualverbrechen in der Regel kein Gespräch zur besten Sendezeit bekämen. „Ich habe Respekt für Frauen. Ich verstehe ihre Reaktion“, sagte Strauss-Kahn. Er habe für sein Fehlverhalten aber bezahlt und tue dies noch heute.

Um den TV-Auftritt hatte es bereits im Vorfeld Diskussionen gegeben. Medienvertreter kritisierten, dass Claire Chazal, eine Freundin von Strauss-Kahns Frau Anne Sinclair, das Interview führen sollte. Dies könnte dazu führen, dass es kaum kritische Fragen gebe. „Ich habe verrücktes Glück gehabt, sie an meiner Seite zu haben“, sagte Strauss-Kahn in dem Gespräch mit Chazal über seine Frau. Er habe ihr wehgetan, aber sie hätte ihn niemals so unterstützt, wenn sie nicht von seiner Unschuld überzeugt gewesen wäre.

Strauss-Kahn kritisiert europäisches Krisenmanagement

Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wirft den europäischen Regierungen im Umgang mit der Schuldenkrise Ignoranz und zögerliches Handeln vor. „Sie wollen das Ausmaß des Problems nicht erkennen“, sagte der 62-Jährige am Sonntagabend in einem TV-Interview. Griechenland könne nicht für sich selbst zahlen. Jeder in Europa müsse akzeptieren, dass er einen Teil der Verluste zu tragen habe, sowohl die Staaten als auch die Banken.

„Die Schuldenlast ist enorm und sie muss um jeden Preis reduziert werden, aber nicht um den Preis von Stagnation oder Rezession“, erklärte der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Problem werde nur aufgeschoben, indem man die Gewährung neuer Kredite an starke Sparanforderungen knüpfe.

Der Franzose warf den Staats- und Regierungschefs vor allem zu zaghaftes und zögerliches Handeln vor. „Die Europäer haben das Problem, dass sie entweder zu wenig oder es zu langsam machen, oder oft zu wenig zu langsam machen“, sagte Strauss-Kahn.

Er glaube nicht, dass der Euro wirklich in Gefahr sei, „aber die Situation ist sehr ernst“. „Wenn wir nicht schnell handeln, wird Europa in 25 Jahren ein trostloses Land mit hohen Arbeitslosenquoten und zerfallenden sozialen Schutzsystemen sein.“

Strauss-Kahn äußerte sich zum ersten Mal seit seinem Rücktritt beim IWF in einem Interview