Der Premierminister ruft heute den Nationalen Sicherheitsrat zusammen. Aussschreitungen und Gewalt in fast allen Stadtteilen Londons.

London. Der Virus der Gewalt in London hat inzwischen auch mehrere andere Städte Englands voll erfasst. Der Himmel über der britischen Hauptstadt wurde in der Nacht von zahllosen Bränden beleuchtet. Auch in Liverpool, Birmingham und Bristol gingen vermummte Randalierer auf die Straßen und setzten Fahrzeuge und Häuser in Brand. Premierminister David Cameron hat für Dienstag den Nationalen Sicherheitsrat zusammengerufen, um die Lage zu besprechen. „Was hier passiert, kann einfach nicht entschuldigt werden“, sagte Scotland Yard-Chefin Christine Jones zu den Szenen auf den Straßen Londons. „Die Schlacht um London“, schrieben britische Zeitungen.

Als vorbeugende Maßnahme gegen weitere Ausschreitungen wurde der im Osten Londons ansässige Erstligist West Ham United von Scotland Yard gebeten, sein Cup-Spiel gegen Aldershot zu verschieben. Unklar war, ob auch das Freundschaftsspiel der englischen Nationalmannschaft gegen die Niederlande am Mittwoch abgesagt würde.

In Ealing im Westen gingen maskierte Jugendliche auf Raubzug und setzten dabei Mülltonnen in Brand. Zahlreiche Schaufenster gingen zu Bruch, berichtete die Agentur PA. „Es sieht aus wie in einem Kriegsgebiet“, wurde ein Augenzeuge zitiert. In dem Gebiet waren zunächst nur wenige Polizisten im Einsatz.

Im Stadtteil Croydon brannte ein ganzer Straßenzug, aus einem Möbellager schlugen noch in der Nacht meterhoch die Flammen. Polizei und Feuerwehr schienen völlig überfordert. Am Abend entdeckte die Polizei in einem Auto einen schwer verletzten Mann, der aus mehreren Schusswunden blutete. Näheres wurde nicht bekannt.

Auch in den Stadtteilen Clapham, Peckham, Hackney, Ealing und Lewisham gab es am Montag Krawalle. In Clapham stand in der Nacht zum Dienstag ein Wohnhaus in Flammen, die Bewohner wurden zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert. In Ealing ging in der Nacht ein Lager des Elektronik-Riesen Sony in Flammen auf, wie der BBC berichtete. Augenzeugen berichteten, dass sich zunächst Plünderer „bedient“ hätten, ehe sie das Lager anzündeten. Ein nahe gelegenes Hotel musste evakuiert werden, rund 200 Gäste wurden in Sicherheit gebracht,

Mit Birmingham war am Montag erstmals auch eine Stadt außerhalb Londons betroffen. Dort plünderten Vermummte Juwelierläden und Elektronik-Geschäfte. In der Nacht zum Dienstag setzten sie eine Polizeiwache in Brand. In den frühen Morgenstunden wurden auch aus Bristol Unruhen gemeldet.

+++ Plünderungen in London +++

Auch aus Liverpool kamen in der Nacht erste Berichte über chaotische Szenen, von der Polizei als „isolierte Ausbrüche von Unruhen“ umschrieben. Augenzeugen berichteten laut PA, dass mehrere hundert Vermummte in den Straßen vorbeifahrende Autos stoppten, die Insassen zum Aussteigen zwangen und anschließend die Fahrzeuge in Brand setzten.

Insgesamt waren in London und Birmingham bis Dienstagmorgen fast 350 Verdächtige festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Die Polizei schickte in der Nacht zum Dienstag weitere 1700 Beamte in die „Krisengebiete“ Londons. „Zu wenig und zu spät“, sagte ein ausgeraubter Geschäftsinhaber dem BBC zu den Polizeieinsätzen.

Plündernde und brandschatzende Banden, die in der Nacht zum Sonntag im Nordlondoner Stadtteil Tottenham die Randale begonnen hatten, waren schon in der Nacht zum Montag in weitere Stadtteile weitergezogen. Auch Gruppen gewalttätiger Kinder zwischen 10 und 14 Jahren waren unterwegs. Vizepremierminister Nick Clegg sagte, die Randalierer seien „opportunistische Kriminelle“.

Die Krawalle hatten in der Nacht zum Sonntag im Problemviertel Tottenham begonnen. Zwei Tage zuvor war dort der 29-jährige Mark Duggan von einem Polizisten erschossen worden. Unklar war, ob der farbige Familienvater, der der Banden- und Drogenszene zugerechnet wird, das Feuer eröffnet hatte. Ergebnisse ballistischer Tests sollen am Dienstag veröffentlicht werden.

Randalierer hatten daraufhin in Tottenham Büros, Wohnungen, Supermärkte, Polizeiautos und einen Doppeldecker-Bus in Brand gesetzt und Geschäfte ausgeplündert. Von einigen Häusern blieben nur die Grundmauern übrig. Die Sachschäden an Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen gehen in den mehrstelligen Millionenbereich. (dpa)