Langsam läuft in Somalia die Hilfe an. Doch Rebellen, Bürokratie und Geldmangel erschweren den Einsatz der Hilfskräfte gegen die Katastrophe.

Hamburg. Die Nachricht schien wie ein Hoffnungsschimmer: Die Vereinten Nationen haben nach eigenen Angaben eine Luftbrücke nach Somalia eingerichtet, um Lebensmittel an die hungerleidende Bevölkerung zu verteilen. Ein erstes Flugzeug mit zehn Tonnen Lebensmitteln sei bereits angekommen. Auch von einem Schiff mit Getreide wird berichtet, das im Hafen von Mogadischu angelegt habe. Dann erklärte auch noch die Afrikanische Union, man wolle die Hilfsorganisationen nun stärker unterstützen. Die Soldaten sollten versuchen, Kämpfer der Al-Shabab-Milizen aus der Nähe der Flüchtlingslager zu vertreiben, sagte ein Sprecher der Friedenstruppe. Die Sicherheitskräfte hätten eine "kurze, taktische, offensive Operation" gestartet, verkündete Oberstleutnant Paddy Ankunda gestern.

Doch eine mögliche Wende in dem seit Wochen andauernden Hungerdrama am Horn von Afrika ist wohl noch immer weit, weit entfernt. So kamen bei der von Ankunda angekündigten Offensive sechs Menschen um Leben, mindestens 20 weitere wurden verletzt, wie der Leiter des Rettungsdienstes in der somalischen Hauptstadt erklärte. Und trotz der Not blockieren die Kämpfer der al-Shabab weiterhin immer wieder Hilfslieferungen. Sie haben bereits Männer getötet, die mit ihren hungernden Familien Zuflucht in Flüchtlingslagern suchen wollten. Die Milizen erklärten, es sei besser zu verhungern, als Hilfe vom Westen anzunehmen.

Für die Helfer sei die Lage sehr kompliziert, sagte Ralf Südhoff, Leiter des deutschen Teils des Welternährungsprogramms der Uno, dem Abendblatt: "Wir müssen in Somalia immer wieder mit lokalen Milizenführern über den Zugang zu Notgebieten verhandeln. Das ist extrem schwierig, weil es innerhalb der Milizen zahlreiche Fraktionen mit ständig wechselnden Interessen und Aussagen gibt." Zum Teil wollten sie Garantien dafür, dass die humanitäre Hilfe "mit politischen Fragen nichts zu tun" habe, sagte Südhoff. Im Südwesten des Landes an der Grenze zu Kenia habe die Uno allerdings mittlerweile einen "relativ guten Zugang" zu den hungernden Menschen erhalten.

Doch auch jenseits dieser Grenze, im Nachbarland Kenia, stoßen die Helfer auf Schwierigkeiten. Nachdem das riesige Flüchtlingslager Dadaab mit knapp 400 000 Menschen längst überfüllt ist - es war für etwa 90 000 Personen eingerichtet worden -, ist nun ein zweites großes Camp fertiggestellt geworden. "Aber lokale Regierungspolitiker vor Ort befürchten, dass die Lager nicht mehr zu kontrollieren sein könnten und die Flüchtlinge nicht mehr wegziehen werden", berichtete Südhoff. Das bedeute, dass die bereits völlig erschöpften und unterernährten Menschen im Augenblick neben dem zweiten Lager campierten.

Martin Bröckelmann-Simon von Misereor zieht eine kritische Zwischenbilanz des Kampfes gegen den Hunger: "Das, was derzeit an Nahrungsmitteln in die Notregion geliefert werden kann, ist mengenmäßig begrenzt und reicht bei Weitem nicht für alle Bedürftigen aus." Andererseits seien die politischen Rahmenbedingungen durch die Blockade der Milizen und die Zögerlichkeiten in Kenia "katastrophal". Verschärft worden sei die Situation zudem durch die Schließung der kenianischen Grenzen aus Angst vor eindringenden Kämpfern aus Somalia. Dadurch können viele der nomadisch oder halbnomadisch lebenden Bewohner der Region nicht mehr ihre gewohnten Routen und Wasserstellen benutzen. "Sie weichen auf andere Stellen aus und geraten in Konflikt mit den dortigen Einheimischen", sagte Bröckelmann-Simon.

Der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sascha Raabe, sagte dem Abendblatt, die Verzögerung bei der Freigabe des zweiten Camps sei ein "Skandal". Notfalls müsse man Kenia mit dem Stopp der Entwicklungshilfe drohen. Raabe fordert angesichts des Leids in der Dürreregion ein stärkeres deutsches Engagement. "Die bisherige Hilfe der Bundesregierung halte ich für zu zögerlich und zu halbherzig." Raabe kritisierte, dass die Bundesregierung bei den jetzt versprochenen 30 Millionen Euro Soforthilfe 15 Millionen Euro einrechnet, die schon Anfang des Jahres für längerfristige Projekte zugesagt worden seien.

Auch der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Thilo Hoppe verlangt eine schnelle Aufstockung der Hilfsgelder: "Deutschland muss seine Hilfe verdoppeln, eigentlich sogar verdreifachen. Großbritannien hat trotz seiner kleineren Volkswirtschaft schon jetzt deutlich über 60 Millionen Euro Hilfe fest zugesagt." Zudem müsse der Bundestag nach der Sommerpause Sondermittel zur Verfügung stellen, sonst drohten die Hilfsgelder aus anderen Projekten abgezogen zu werden.

Hoppe forderte zudem, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit den Al-Shabab-Blockaden befasst. "Die Afrikanische Union hat bereits etwa 9000 Soldaten in dem Land: Die müssen besser ausgerüstet und aufgestockt werden, um die Hilfslieferungen abzusichern." Die Soldaten sollten den Helfern nicht den Weg frei schießen, meinte Hoppe. "Aber 5000 Milizen dürfen nicht den Zugang zu Hunderttausenden Hungernden blockieren."

Doch nicht nur die Straßenkämpfer sind für den Hunger verantwortlich: Laut Ralf Südhoff konnte das Welternährungsprogramm von April bis Mitte Juli keine Schiffe in die Krisenregion schicken, weil das von den Staaten zugesagte Geld nicht floss. Auch jetzt kämpfen die Vereinten Nationen mit leeren Kassen: "Dem Welternährungsprogramm fehlen noch 200 Millionen Euro bis Ende des Jahres. Wir hoffen jetzt auf Spenden der Regierungen und auf private Spenden." Die Hilfe müsse jetzt dringend ausgeweitet werden, zumindest bis zur Regenzeit. "Danach können die Menschen vielleicht wieder ihr Vieh tränken und ihre Felder bestellen. Dann könnte man über eine Reduzierung der Hilfen nachdenken."

Der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), sieht die Ursache der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika auch in den umfangreichen Landverkäufen an China. Im Falle Äthiopiens bestehe der Verdacht, dass der Landverkauf für eine kleine Elite sehr attraktiv sei, sagte Nooke der "Frankfurter Rundschau". Der Bevölkerung würde es jedoch mehr nutzen, wenn sich die dortige Regierung um den Aufbau eigener landwirtschaftlicher Produktionsstrukturen kümmern würde. Grundsätzlich habe Afrika gute Bedingungen für eine ausreichende Lebensmittelversorgung.

Zwar sei nicht alles schlecht, was China in Afrika mache, sagte Nooke. Aber Lebensmittel nur für den Export zu erzeugen könne noch zu großen sozialen Konflikten in Afrika führen, wenn dadurch Kleinbauern der Boden und damit ihre Lebensgrundlage entzogen werde. "Die Katastrophe ist auch menschengemacht", sagte Nooke.