Die UNO-Luftbrücke für die Hungernden in Ostfarika ist gestartet. Doch Islamisten sagen: „Besser hungers sterben als den Westen akzeptieren“.

Addis Abeba/Mogadischu. Die Hilfe der Vereinten Nationen für zehntausende Hungernde ist gestartet. Per Luftbrücke sollen in nächster Zeit 100 Tonnen Nahrungsmittel nach Mogadischu gebracht werden. Unklar ist jedoch, wann die nächsten Flüge starten können. Rose Ogola vom Welternährungsprogramm (WFP) sagt, die Bevölkerung in den Krisengebieten sei fast völlig von internationaler Hilfe abhängig.

Der erste Flug hatte sich wegen bürokratischer Probleme am Flughafen von Kenias Hauptstadt Nairobi verzögert. Die Maschine startete mit 24-stündiger Verspätung. Wann die nächsten Hilfsflugzeuge nach Mogadischu starten, ist noch unklar. „Wir können es noch nicht ganz konkret sagen, weil wir stets Start- und Landeerlaubnis benötigen“, sagte der deutsche WFP-Experte Ralf Südhoff im Südwestrundfunk (SWR). „Wir sind sehr froh, dass gestern das erste Flugzeug abheben und in Mogadischu dann auch landen konnte. Damit sind die ersten zehn Tonnen Nahrungsmittel nach Mogadischu gelangt“, betonte Südhoff. Für Kleinkinder, die unter Mangelernährung leiden, wurden sogenannte Energiekekse und Erdnusspasten eingeflogen. Wie die Organisation weiter mitteilte, kamen in den vergangenen Tagen mehr als 250 Millionen Dollar (172 Millionen Euro) an Spenden von Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen zusammen. Besonders großzügig hätten sich Australien, Brasilien, Kanada, die EU-Kommission, Frankreich und Deutschland gezeigt.

„Die Welt agiert jetzt zusammen, um dem wachsenden Hunger und der Unterernährung am Horn von Afrika zu begegnen“, hieß es. Jedoch werde in den nächsten sechs Monaten der gleiche Betrag benötigt, um die schlimmste Dürre seit 60 Jahren zu bekämpfen. Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR will mit zusätzlichem Geld dringend benötigte Plastikplanen, Kochutensilien, Decken und angereicherte Nahrung an 180.000 Flüchtlinge in Somalia verteilen.

Das WFP plant, die Luftbrücke demnächst auf andere Landesteile Somalias auszuweiten. Weitere Flugzeuge mit Hilfsgütern speziell für unterernährte Kinder könnten bald in die Grenzregion Dollo fliegen, sagte eine Mitarbeiterin. Von dort sollen die Nahrungsmittel in die Gebiete transportiert werden, die besonders von der Dürre betroffen sind. Am Horn von Afrika brauchen nach Uno-Schätzungen mehr als elf Millionen Menschen dringend Nahrungshilfe. Doch nicht alle wollen, dass der Westen Ostafrika in der Katastrophe hilft.

Reportage: „Besser hungers sterben als den Westen akzeptieren“

In einem armseligen Flüchtlingslager neben dem Flughafen von Mogadischu warten 2.000 Frauen und Kinder hungrig und verzweifelt auf Hilfe. Zu Tode geschwächt liegen viele in den Verschlägen aus Stöcken und Stofffetzen. Männer sind kaum darunter.

Die islamistische Al Shabab-Miliz, so berichten Flüchtlinge, versuchen die Männer daran zu hindern, sich dem Flüchtlingsstrom aus den von ihnen beherrschten Dürreregionen im Süden und in der Mitte Somalias anzuschließen. Häufig gelingt es ihnen, manchmal bringen sie die Männer einfach um. Die verheerende Hungersnot am Horn von Afrika gefährdet die Machtposition der mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbundenen Miliz; sie fürchtet, dass die Katastrophe die Menschen vertreibt, denen sie Steuern abknöpft und die sie zum Militärdienst zwingt.

„Sie sind gottlos. Sie haben kein Herz. Sie wollen die Leute verhungern lassen“, sagt Fatima Mohammed. Sie rettete sich mit fünf ihrer Kinder in das Lager am Flughafen, die zwei schwächsten musste sie mit ihrem Mann zurücklassen. Sie hätten versucht, nachts zu marschieren, um sich an den Straßensperren der Al Shabab vorbeizuschleichen, erzählt sie. Die Miliz hinderte ausländische Organisationen bislang daran zu helfen, aus Furcht, Hilfe aus dem Ausland würde ihre Stellung untergraben. Sie hätten den Flüchtlingen sogar gesagt: „Besser hungers sterben als den Westen zu akzeptieren“, berichtet Mohammed.

Ablehnung aus Prinzip

Einiges deutet allerdings auf interne Meinungsverschiedenheiten hin. 50 Al Shabab-Kämpfer sind nach Angaben eines somalischen Regierungsvertreters in den vergangenen Wochen desertiert und zur Regierung übergelaufen. Ein Sprecher der Somalia-Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AMISOM) weiß von einer Spaltung in der Führung der Miliz zu berichten: „Manche sagen: Bringt die Hilfe her. Manche sagen: Untersteht euch. Manche sind gegen westliche Hilfe, weil sie gegen die westliche Ideologie sind“, erklärt er.

Die AMISOM hat nahe des Flüchtlingslagers einen Stützpunkt. Die Soldaten brachten Wasser vorbei und behandelten über 50 Fälle von Masern. Zum Auftakt einer Luftbrücke des Welternährungsprogramms trafen am Mittwoch zehn Tonnen Nährbrei auf Erdnussbutterbasis ein. Das hilft schon mal. Doch die UN und die anderen Hilfsorganisationen müssten noch mehr tun, drängt der Hilfskoordinator der AMISOM, Oberstleutnant Kuamurari Katwekyeire.

Im Lager ist keine Hilfsorganisation vertreten. Die Flüchtlinge haben keine Möglichkeit, an etwas zu essen zu kommen. Viele liegen reglos in den behelfsmäßigen Zelten, schwach, klapperdürr, dem Tode nahe. Ein kleines Kind winkt dem Reporter kurz zu, dann sinkt sein von Fliegen umschwirrter Kopf wieder herab.

„Niemand bemerkt unsere erbärmliche Lage“

Zwölf Kinder wurden am Mittwoch in dem Lager begraben, darunter die vierjährige Enkelin von Hassan Ibrahim. Der 52-Jährige ist einer der wenigen Männer im Lager. Er sei als einer der ersten aus der Region Bakool gekommen, erzählt er. Wenige Tage nach seinem Aufbruch hätten Al Shabab-Kämpfer Hunderte Männer gefangen genommen, verprügelt und zum Bleiben gezwungen. Ein übergelaufener Milizionär berichtet, Al Shabab habe den Männern gedroht, ihre Frauen und Kinder zu töten, wenn sie sich in ein Flüchtlingslager absetzten.

In einem anderen Lager in Mogadischu schildert Ambiyo Isee, wie sie zuhause aus Bay wegging, als ihre 50 Ziegen verendet waren. Nach vier Tagen unterwegs mit drei unterernährten Kindern landete sie in einem Al Shabab-Lager, flüchtete aber bald nach Mogadischu weiter. „Al Shabab zwang uns, entweder zurück in die Heimat zu gehen, die wir wegen des Hungers verlassen hatten, oder in einem eingezäunten und leeren Lager zu bleiben“, sagt sie. „Es gab kein Essen und kein Wasser und der Platz war voller Dornen und kleiner Insekten, von denen unsere Kinder Ausschlag bekamen.“ In Mogadischu gebe es wenigstens ein bisschen zu essen, aber selten und nicht genug. „Niemand bemerkt unsere erbärmliche Lage“, klagt sie.

Jason Straziuso/dpa/dapd/abendblatt.de