Die syrische Regierung kündigt Reformen an. Sicherheitskräfte schießen auf Demonstranten. Die USA erhöhen Druck auf Assad-Regime.

Damaskus. Die Unruhen in Syrien gehen weiter. Die Zahl der Toten steigt stetig. Die syrische Regierung hat am Wochenende mit neuen Reformversprechen versucht, die Protestbewegung zum Einlenken zu bewegen. Doch das überaus brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte steigerte nur die Wut der Demonstranten. Die Regierung in Damaskus sprach von einem „umfassenden Plan für Reformen“. Dabei solle es in den kommenden Wochen ebenso um politische, juristische und wirtschaftliche Reformen gehen wie um Änderungen im Sicherheitsapparat, teilte Ministerpräsident Adel Safar am Sonnabend mit.

Noch kurz zuvor war das Regime von Präsident Baschar al-Assad auffällig brutal gegen die Opposition vorgegangen. Allein am vergangenen Freitag sollen rund 70 Demonstranten, die für mehr Demokratie und gegen Assad protestiert hatten, getötet worden sein. Die Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter sprach von insgesamt 545 getöteten Zivilisten und 86 Toten auf Seiten der Sicherheitskräfte seit dem Protestbeginn im März.

Bewohner der seit Tagen belagerten Stadt Daraa berichteten dem Nachrichtensender Al-Dschasira am Sonnabend von massivem Granatbeschuss und heftigem Gewehrfeuer. Auf den Straßen lägen Leichen, andere Tote würden in Kühllastwagen aufbewahrt. Besonders heftig sei um die Omari-Moschee gekämpft worden. Berichten zufolge stürmten Regierungstruppen das Gotteshaus. Mindestens vier Menschen seien dabei ums Leben gekommen.

Ein Augenzeuge sprach von 20 Panzern, die in der Stadt patrouillierten. Viele Verwundete der Schießereien müssten zu Hause behandelt werden, weil der Weg in die Krankenhäuser inzwischen zu gefährlich sei.

Zehntausende Syrer hatten bereits am Freitag die Drohungen der Regierung in den Wind geschlagen und erneut für demokratische Reformen demonstriert, so etwa in der Hauptstadt Damaskus, in Latakia, Kamischli, Hama und Homs. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Allein in Daraa sollen nach Angaben einer syrischen Menschenrechtsgruppe am Freitag 33 Menschen getötet worden sein. Auch 7 Polizisten und Soldaten sollen bei den Unruhen ums Leben gekommen sein. Eine Überprüfung der Angaben war allerdings nicht möglich.

Wegen "fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen“ haben die USA Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt. Präsident Barack Obama unterzeichnete am Freitag einen Erlass, der Mitgliedern der Führungsriege um Assad Zugriff auf etwaige Vermögen in den USA verwehrt. Außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen.

Auch die EU bekundete ernste Besorgnis über die Lage in Syrien. Angesichts der fortgesetzten Gewalt habe man ein Verfahren zur Verhängung eines Waffenembargos in Gang gesetzt, sagte die Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitagabend in Brüssel. Außerdem könnten millionenschwere Hilfszahlungen der Union an Syrien eingefroren werden. Die Sanktionen müssen allerdings noch förmlich beschlossen werden.

Westerwelle sagte dem Berliner "Tagesspiegel“ (Sonnabend), es sei „erforderlich, dass die Sanktionen schnell verhängt werden“. Neben einem Waffenembargo nannte er das Einfrieren des Vermögens der syrischen Führung sowie Reisebeschränkungen für die Verantwortlichen in Damaskus.

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Die syrischen Streitkräfte ziehen nach Augenzeugenberichten immer mehr Truppen in der abgeriegelten Stadt Daraa zusammen. Am Samstagmorgen seien weitere Soldaten mit vier Panzern und 20 gepanzerten Truppentransportern in Daraa eingerückt, berichtete ein Bewohner.

Die Stadt im Süden des Landes gilt als Hochburg der Protestbewegung gegen Präsident Baschar Assad. Bereits am vergangenen Montag waren Tausende Soldaten in Daraa einmarschiert und hatten die Stadt weitgehend abgeriegelt.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Gewalt in Syrien mittlerweile rund 500 Menschen das Leben gekostet hat. Allein am Freitag seien bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte 55 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen in der Provinz Daraa, sagte der Menschenrechtsaktivist Mustafa Osso. In der Hauptstadt Damaskus wurden die Bewohner auf Plakaten der Regierung dazu aufgerufen, „zu ihrer eigenen Sicherheit“ zu Hause zu bleiben.

Der UN-Menschenrechtsrat billigte am Freitag Ermittlungen zur blutigen Niederschlagung der Proteste in Syrien. Zudem wurde die Regierung in Damaskus aufgefordert, umgehend alle politischen Gefangenen freizulassen und die Beschränkungen für Journalisten und das Internet aufzuheben.

Die EU brachte derweil Sanktionen gegen das syrische Regime auf den Weg. Die Botschafter der Mitgliedsstaaten gaben grünes Licht für Strafmaßnahmen gegen Präsident Assad und seine Gefolgsleute, wie aus Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete. Damit soll der Druck auf Damaskus erhöht werden, die blutige Niederschlagung der Demonstrationen zu beenden.

(dpa/afp/dapd/rtr)