Der Gipfel bleibt im Ungefähren. Es wird keine messbaren Grenzen für Handelsüberschüsse geben. Kritik von SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Seoul. Die führenden Wirtschaftsmächte der Welt (G20-Staaten) haben ihren Streit um das Ungleichgewicht im Handel vorerst beigelegt. Nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird der G20-Gipfel keine konkreten, messbaren Vorgaben und Grenzen für Handelsüberschüsse oder -defizite machen. Stattdessen soll in den nächsten Monaten ein Frühwarnsystem ausgearbeitet werden, um das Problem in den Griff zu bekommen.

„Wir können über Ungleichgewichte auf der Welt sprechen. Aber wir können dafür nicht die Differenz aus Export und Import nehmen“, sagte Merkel beim G20-Gipfel. Vielmehr müssten auch andere Faktoren in das System einbezogen werden, die auch Auskunft über die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft auf dem Weltmarkt geben.

„Was man nicht machen kann, ist, die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auf eine Zahl zu reduzieren“, sagte Merkel. „Das halten wir für (...) nicht zielführend. Und ich glaube, von diesem Ansatz sind jetzt alle auch weg“, sagte die Kanzlerin. Vor allem die USA hatten konkrete Zielvorgaben gefordert. Die endgültige G20-Vereinbarung soll an diesem Freitag vorliegen. Damit hat sich Deutschland mit seiner Position weitgehend durchgesetzt. Das Grundproblem von Ungleichgewichten bleibt aber zunächst bestehen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat das Auftreten von Bundeskanzlerin Merkel beim G20-Gipfel in Südkorea kritisiert. „Frau Merkel muss als Regierungschefin der größten Volkswirtschaft Europas endlich ihrer Führungsrolle gerecht werden“, verlangte Gabriel in Berlin. Stattdessen sei die Kanzlerin „mal wieder als Alleinreisende unterwegs, ohne ein entsprechend abgestimmtes und gemeinsames Auftreten der Europäer“. Zugleich appellierte der SPD-Chef an Merkel, dafür zu sorgen, dass das internationale Währungssystem wieder ins Lot komme. Die Erfahrung zeige, dass flexible Wechselkurse, die allein dem Markt überlassen werden, nur Spekulanten nutzten.

Merkel und US-Präsident Barack Obama bekundeten vor ihrem gut einstündigen Treffen demonstrativ den Willen zur Zusammenarbeit. Obama sagte, er sei stolz auf die Zusammenarbeit mit Merkel. Es sei wichtig, die derzeitigen Probleme auf der Welt gemeinsam anzugehen. Die USA hatten zuerst gefordert, eine Obergrenze für Überschüsse und Defizite von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts festzulegen. Merkel hatte sich vehement dagegen gewehrt und erklärt, eine politische Feststellung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite sei weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen. Merkel und Obama seien sich darin einig gewesen, dass Angriffe auf die Finanz- und Währungspolitik der jeweils anderen Regierung wenig hilfreich seien, hieß es aus Regierungskreisen.

Vor dem offiziellen Gipfelauftakt kam Merkel zu Gesprächen mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak und Ministerpräsident Kim Hwang Sik zusammen. Eines der Hauptthemen war in beiden Fällen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea, von dem auch Deutschland mit einem Plus an Aufträgen profitieren könne, wie es aus Delegationskreisen hieß.

An der EWHA-Frauenuniversität in Seoul, der mit rund 25.000 Studentinnen größten ihrer Art auf der Welt, wurde Merkel die Ehrendoktorwürde verliehen . Zur Begründung hieß es unter anderem, die Kanzlerin habe zur Herstellung des globalen Friedens und eines weltweiten Klimaschutzes wichtige Beiträge geleistet.

Den G20 stehen am Freitag noch harte Verhandlungen bevor. Ökonomen warnen vor den Gefahren einer Abwertungsspirale von Währungen und vor wachsender Abschottung (Protektionismus), die eine Gefahr für den Welthandel darstelle. Die deutsche Wirtschaft gilt wegen ihrer Abhängigkeit von Exporten als besonders anfällig für Beschränkungen im Welthandel.

Die sogenannte Gruppe der 20 repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung, rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und 80 Prozent des Welthandels. Der Gruppe gehören die acht wichtigsten Industriestaaten USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland und Kanada an. Die Gruppe der G20 wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern.