Auf seinem Balkan-Trip schöpft der Außenminister Mut für den FDP-internen Streit. Westerwelle appellierte an die EU, das Kosovo anzuerkennen.

Pristina. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat eindringlich an die letzten EU-Staaten appelliert, die Unabhängigkeit des Kosovos anzuerkennen. „Ich bitte Sie: Schließen Sie sich der Mehrheit an, es ist eine klare Mehrheit“, sagte Westerwelle in Pristina nach Gesprächen mit dem Präsidenten des Kosovo, Fatmir Sedjiu, und Ministerpräsident Hashim Thaci. Die betroffenen europäischen Staaten wie Spanien und Griechenland, die ihre eigenen Konflikte mit Minderheiten haben, müssten nicht befürchten, dass aus dem Fall Kosovo Konsequenzen für andere Regionen abgeleitet würden.

Bisher erkennen erst 22 der 27 EU-Staaten den Kleinstaat Kosovo an – nicht dabei sind Zypern, die Slowakei, Rumänien, Spanien und Griechenland. Praktisch bedeutet dies, dass die EU auch keine Verträge mit dem Land schließen kann. Doch nicht nur deshalb ist das Kosovo von einem EU-Beitritt weit entfernt: In dem bitterarmen Land blühen die Korruption und die organisierte Kriminalität, außerdem halten ethnische Spannungen und die Rechtsunsicherheit ausländische Investoren fern.

Deutschland ist größter Truppensteller

Auch zwei Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kleinstaats sorgt die Nato-Truppe KFOR deshalb noch mit etwa 10.000 Soldaten für Stabilität in der ehemaligen serbischen Provinz. Deutschland ist mit 1400 Soldaten größter Truppensteller. Ein Ende des Einsatzes nicht absehbar. Die Bevölkerung des Kosovo besteht zu 90 Prozent aus Albanern. Die serbische Region im Norden des Landes um die ethnisch geteilte Stadt Mitrovica entzieht sich jedoch der Kontrolle der kosovarischen Regierung und wird finanziell von Belgrad unterstützt.

„Es wäre unhöflich, sich hier zur Innenpolitik zu äußern"

Auf seiner Balkanreise musste sich Westerwelle immer wieder damit auseinandersetzen, dass seine Doppelfunktion als Außenminister und FDP-Chef auch von den eigenen Leuten infrage gestellt wird. „Es wäre absolut unhöflich und ungewöhnlich, sich hier zur Innenpolitik zu äußern.“ Das war sein Standardsatz während der zweieinhalb Tage. Dabei hatte sich der Vizekanzler für die erste Auslands-Tour nach seinem Mallorca-Urlaub einiges vorgenommen: vier Länder in 56 Stunden. Macht 14 Stunden pro Land – selbst für die Reiseprofis aus dem Auswärtigen Amt ist das ein strammes Programm. Fast im Stundentakt musste Westerwelle Hände schütteln, vor Kameras gute Miene machen, in Flugzeuge oder Hubschrauber steigen.

Westerwelles Hin-und-Weg-Diplomatie

Die Hin-und-Weg-Diplomatie war natürlich durch die komplizierten Verhältnisse bedingt, die es im ehemaligen Jugoslawien bis heute zu beachten gilt: Fängt man einmal damit an, gibt es eine Menge Leute, die man sehen muss, wenn man keinen vergrätzen will. Man kann sich auf solchen Reisen die Tage aber auch mit Terminen zupflastern, um zu zeigen, wie ernst es einem mit der Außenpolitik ist.

Fast ein Jahr nach dem 14,6-Prozent-Erfolg bei der Bundestagswahl herrscht auch bei vielen FDP-Mitgliedern die Meinung vor, dass Westerwelle im Auswärtigen Amt noch immer nicht richtig angekommen sei. Umfragewerte um die fünf Prozent und die für einen Außenminister ungewöhnlich schlechten Beliebtheitswerte tun ihr Übriges dazu, dass es an der Parteibasis grummelt.

Und überraschenderweise entwickelte Westerwelle gerade auf dem Balkan so etwas wie diplomatische Leidenschaft – ein Wesenszug, den er bislang noch nicht so richtig zur Geltung brachte. Im frisch restaurierten Festsaal der Universität Belgrad appellierte er geradezu euphorisch an die serbische Jugend, die Chance für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu nutzen. „Ergreifen Sie sich die Eintrittskarte in die EU. Greift nach Eurer Zukunft.“