Der Medienzar soll der Polizei in der Affäre um die “Sun“ Beweise geliefert haben, um sich zu retten. Journalisten und Beamte verhaftet.

Hamburg. Man fühlt sich an Schillers Gedicht "Der Ring des Polykrates" erinnert. An den dort lyrisch verewigten Tyrannen von Samos, dem zunächst alles glückte, der riesige Armeen und Flotten befehligte und seine Macht unablässig ausdehnte. Der die Künste förderte und doch so hemmungslos in der Wahl seiner Mittel war, dass etwa der berühmte Pythagoras entsetzt aus seinem Herrschaftsbereich floh. Und dem seine Gegner schließlich ein schlimmes Ende bereiteten.

Bei Rupert Murdoch ist es noch nicht so weit; doch die Wölfe sind längst in sein Gehege eingedrungen. Erneut steht ein Murdoch-Unternehmen im Visier von Ermittlern. Die britische Polizei ging gegen Journalisten der Murdoch-Zeitung "The Sun" vor. Dabei ist der australisch-amerikanische Medienmogul einer der mächtigsten Männer der Welt. Sein Firmenimperium umspannt Zeitungs- und Buchverlage, Fernsehsender und zeitweise auch eine Fluggesellschaft sowie Energiefirmen. Sein Privatvermögen wird auf gut sieben Milliarden Dollar geschätzt. Und der 80-jährige Verleger soll seine erzkonservative, antieuropäische und antideutsche Haltung in direkte Weisungen an die Chefredakteure gießen.

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Zu den Medien, die er kaufte, gehören die ehrwürdige Londoner "Times", die "Sunday Times", die "News of the World", der US-Verlag Dow Jones mit dem "Wall Street Journal", der rechte Sender Fox News", das britische Massenblatt "Tue Sun" und die US-Filmgesellschaft 20th Century Fox.

Doch das Jahr 2011 war für Rupert Murdoch ein schwarzes. So musste er das 2005 für 580 Millionen Dollar erworbene soziale Netzwerk MySpace für 35 Millionen geradezu verscherbeln. Und er sah sich gezwungen, die 1843 gegründete Zeitung "News of the World" - verkaufte Auflage zuletzt: 2,6 Millionen Exemplare - komplett einzustellen. Es wurde offenbar, dass die Redaktion über viele Jahre hinweg Bürger des privaten und öffentlichen Lebens illegal abgehört hatte, um an Storys zu kommen und zudem mit Bestechung gearbeitet hatte. Im Beweismaterial der Behörden finden sich Listen mit fast 4000 Namen von Abhöropfern - unter ihnen der Schauspieler Hugh Grant und etliche Opfer von Verbrechen, deren persönliche Schicksale ausgeschlachtet wurden. Der Medienkonzern musste schwere Verluste hinnehmen.

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Und im neuen Jahr geht der Murdoch-Skandal in die nächste Runde. Im Morgengrauen am Sonnabend nahm die Polizei im Zuge ihrer seit Monaten laufenden Operation "Elveden" fünf führende Redakteure des Massenblattes "Sun" fest. Ihre Büros und Privatwohnungen wurden durchsucht. Ferner wurden ein Polizist, ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums und ein Soldat festgenommen.

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Am 28. Januar hatte die Sondereinheit bereits vier "Sun"-Journalisten festgenommen, die dann auf Kaution freikamen. Die Gesamtzahl der Verhaftungen liegt inzwischen bei 22. Ihnen allen wird vorgeworfen, Teil eines großflächigen Bestechungssystems der Murdoch-Blätter gewesen zu sein.

Die "Sun" ist ein Kernstück der britischen Sparte des Mediengiganten. Die Boulevard-Zeitung mit ihrer Auflage von 2,9 Millionen Exemplaren täglich (2009) kann von der medialen Bedeutung her prinzipiell mit der deutschen "Bild"-Zeitung verglichen werden. Doch ihre Recherchemethoden sind ungleich aggressiver. Offenbar kaufte die Redaktion mithilfe schwarzer Kassen brisante Informationen bei Amtsträgern. Zu den nun Verhafteten zählen der stellvertretende Chefredakteur Geoff Webster, Chefreporter John Kay, Chef-Außenkorrespondent Nick Parker und der stellvertretende Nachrichtenchef John Sturgis. Als bekannt wurde, dass Murdochs Medienkonzern News Corporation der Operation "Elveden" selber Beweise gegen die betroffenen Journalisten geliefert hatte, brach ein Sturm der Empörung in der Redaktion los, wie der Londoner "Independent" berichtete. Murdoch habe noch in der Nacht ein Schreiben aufgesetzt, in dem er versicherte, dass er die "Sun" keineswegs einzustellen gedenke. Der Verleger wollte sich flugs auf den Weg nach London machen, um die Gemüter zu beruhigen.

Die Redaktion bezichtigte ihn in hitzigen E-Mails, er werfe einige von ihnen "den Wölfen vor", um sich selber zu entlasten. Der Labour-Abgeordnete Tom Watson sagte dem "Guardian": "Die Entwicklung zeigt, dass es nicht mehr nur um das Abhören von Telefonen geht. Sie zielt direkt in das Herz der Unternehmensführung von Rupert Murdoch." Der mit der Affäre schon länger betraute Labour-Abgeordnete Chris Bryant meinte, wenn man die Logik im Fall "News of the World" zugrunde lege, müsste die "Sun" eingestellt oder zumindest verkauft werden.

Im Fall der "News of the World", dem Schwesterblatt der "Sun", hatte Murdoch vor einem Untersuchungsausschuss des Londoner Unterhauses ausgesagt, er habe von den kriminellen Machenschaften dort nichts gewusst. Nun erklärte die Nationale Union der Journalisten in London: "Wieder einmal versucht Rupert Murdoch, die Schuld einzelnen Journalisten anzuhängen - in der Hoffnung, dass ein paar Skalps den Ruf seines Unternehmens retten werden."