Nach dem Sieg der Islamisten bei den Parlamentswahlen wird das politische Ägypten religiös. Bündnisse klären nun die Einflüsse.

Kairo. Knapp ein Jahr ist es her, dass Langzeitmachthaber Husni Mubarak in Ägypten gestürzt wurde. Im neuen Parlament geben nun die Islamisten den Ton an. Am Sonnabend wurde in Kairo von der Wahlkommission das offizielle Endergebnis der ersten freien Wahl vorgestellt. Demnach gewannen die islamistischen Parteien zusammen mehr als 70 Prozent der 498 Mandate. Stärkste politische Kraft sind die Muslimbrüder. Am 25. Januar 2011 initiierte die sogenannte Revolutionsjugend die Massenproteste gegen Mubarak und führte so seinen Sturz herbei. Sie spielt im neuen Parlament allerdings kaum eine Rolle, konnte nur sieben Mandate gewinnen. Am kommenden Montag wollen sich die Abgeordneten zu einer ersten Sitzung des Parlaments treffen.

Die Muslimbrüder bezeichnen sich selbst als „moderat islamisch“. Eine klare Trennung von Staat und Religion wie in der Türkei lehnen sie aber ab. Die unter Mubarak offiziell verbotene, aber weitgehend tolerierte Bruderschaft kann jetzt mit der Wahl eines säkularen oder radikal-islamischen Koalitionspartners die politische Zukunft mitbestimmen. Erwartet wird außerdem, dass Ägypten einen härteren Kurs gegenüber Israel einschlagen wird als zu Zeiten Mubaraks.

Die Partei der Muslimbruderschaft „Freiheit und Gerechtigkeit“ sowie ihre Bündnispartner konnten nach eigenen Angaben bei der Wahl 47,2 Prozent der Stimmen erringen und kommen damit auf 235 Sitze. Die Zahl ist ein wenig höher als ein amtliches Endergebnis, das zuvor die ägyptische Zeitung „Al-Shorouk“ verkündet hatte. Auch der Leiter der Wahlkommission Abdel Moaz Ibrahim nannte bei einer Pressekonferenz keine abschließenden Zahlen, sondern verkündete Ergebnisse der Listenwahl, ohne die Direktkandidaten hinzuzurechnen. Das ägyptische Wahlsystem ist sehr kompliziert mit einer Mischung aus Listen- und Mehrheitswahlrecht.

+++ El Baradei verzichtet auf Kandidatur in Ägypten +++

+++ Staatsanwalt wirft Mubarak Tyrannei vor +++

Die radikal-islamische Partei des Lichts („Hizb al-Nur“) kommt gemeinsam mit anderen kleineren Parteien aus dem Lager der sogenannten Salafisten auf den zweiten Platz. Laut „Al-Shorouk“ konnten sie jede vierte Stimme auf sich vereinen. Sie erreichten 24,6 Prozent (123 Sitze).

Der Erfolg der Partei des Lichts war die größte Überraschung bei der Parlamentswahl. Vertreter der Nur-Partei waren im Wahlkampf immer wieder mit Ankündigungen aufgefallen, Alkohol und Bikinis in den Urlaubsorten am Roten Meer verbieten zu wollen. Salafisten eifern dem Leben des Propheten Mohammeds nach. Die Männer haben lange Bärte und gekürzte Hosen oder Gewänder – wie sie der Prophet getragen haben soll. Die Frauen sind bis auf einen Augenschlitz bedeckt.

Die traditionsreiche liberale Wafd-Partei belegt laut Wahlkommission den dritten Platz. Allein über die Liste sicherte sie sich 36 Sitze, gefolgt von der neuen liberalen Ägyptischen Allianz von Multimillionär Naguib Sawiris mit 33 Sitzen. (dpa/abendblatt.de)