Militärische Gewalt überschattet neue Friedensinitiative. Regierungschef Netanjahu verspricht “vertrauensbildende Maßnahmen“.

Hamburg/Moskau. Inmitten einer diplomatischen Krise mit den USA hat die israelische Luftwaffe am frühen Freitag Raketenangriffe auf Ziele in Gaza gestartet. Getroffen wurden nach israelischen Angaben unter anderem Schmugglertunnel unter der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, eine Waffenwerkstatt und ein Tunnel, den Militante zur Infiltration Israels gegraben hatten. Später feuerte ein israelischer Panzer mehrere Geschosse nach Gaza ab, ohne jedoch jemanden zu treffen. Die Angriffe waren eine Reaktion auf einen palästinensischen Raketenangriff vom Vortag, bei dem ein thailändischer Gastarbeiter getötet worden war.

Die Angriffe erfolgten, kurz bevor in Moskau das Nahost-Quartett zusammenkam. Ein Blick auf die illustre Besetzung zeigte, dass es nicht um das Abhaken von politischen Routinefragen ging. Es erschienen Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon, US-Außenministerin Hillary Clinton sowie ihr russischer Amtskollege Sergeij Lawrow und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Dazu gesellte sich der frühere britische Premier und EU-Nahostbeauftragte Tony Blair.

Diese Vier-plus-eins-Gruppe machte rasch klar, dass die Geduld der internationalen Staatengemeinschaft mit der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ziemlich erschöpft ist.

Das Nahost-Quartett richtete von der Moskwa aus sehr konkrete Forderungen an die Adresse Jerusalems: Vollständiger Stopp des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten mit Abriss aller Wohnungen, die nach März 2001 errichtet wurden, Stopp des Abrisses palästinensischer Häuser und der Vertreibung der Araber in Ostjerusalem, Wiederaufnahme der eingefrorenen Friedensgespräche mit den Palästinensern mit einer Einigung binnen zweier Jahre. Am Ende der Friedensbemühungen solle ein "unabhängiger, demokratischer und lebensfähiger palästinensischer Staat" stehen. Zugleich zeigte sich das Quartett "tief besorgt" über die humanitäre Lage im abgeriegelten Gazastreifen.

Während in Berlin Bundesaußenminister Guido Westerwelle das "starke Signal" aus Moskau lobte, und Lawrow meinte, er gehe davon aus, dass Israel diese Erklärung "richtig verstehen wird", reagierte die Rechte in Israel naturgemäß kritisch. Westerwelles Amtskollege Avigdor Lieberman murrte, die Forderungen seien "ein Dämpfer für den Friedensprozess". Mit solchen Erklärungen würden die Chancen auf eine Einigung geschmälert. Der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat zeigte sich in Ramallah hocherfreut über die Forderungen, meinte aber, Israel müsse durch verbindliche Festlegungen dazu gebracht werden, sie zu erfüllen.

Die jüngste Krise samt einer starken Abkühlung der israelisch-amerikanischen Beziehungen war entstanden, nachdem Israels Innenminister Eli Jischei ausgerechnet während eines Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden den Bau von 1600 neuen Wohnungen in Ostjerusalem - das die Palästinenser als Hauptstadt beanspruchen - und 112 neuer Appartements im Westjordanland verkündet hatte. Es war ein beispielloser Affront gegen den Israel-Freund Biden, der extra nach Jerusalem gekommen war, um im Auftrag von US-Präsident Barack Obama den Friedensprozess wieder anzuwerfen.

In einem Telefonat mit Clinton erklärte sich Netanjahu zu "vertrauensbildenden Maßnahmen" bereit, weigerte sich aber, einen Baustopp zu verkünden. Diplomaten erklärten, Netanjahu habe Clinton jedoch eine private Zusage zu einem vorübergehenden Einfrieren des Baus gegeben. Obama will nach Informationen des US-Fernsehsenders Fox News in den nächsten Tagen mit Netanjahu in Washington darüber beraten.