Marja, die Hochburg der Aufständischen, soll befreit werden. Tausende Soldaten der Verbündeten stehen bereit.

Hamburg. In Afghanistan steht die größte gemeinsame Militäroffensive von Nato und afghanischer Armee des bisherigen Krieges bevor. Die Sprecher der jeweiligen Streitkräfte nannten zwar das Ziel der Großoffensive nicht - aber das ist längst bekannt: Die Taliban-Hochburg Marja in der Provinz Helmand. Afghanische Militärsprecher und Einwohner von Marja sagten, dass die ganze Gegend mit Flugblättern versorgt worden sei, in denen vor der kommenden Offensive gewarnt wird. Den ungewöhnlichen Schritt erklärte der Politologe Seth Jones von der US-Denkfabrik Rand Corporation in der "New York Times": "In manchen Fällen ist es sinnvoll, zumal wenn es um Bevölkerungszentren geht, Taliban und Aufständischen die Chance zum Verschwinden zu geben." Den Feind vorzuwarnen sei eine zweischneidige Strategie - zum einen könnten damit weniger Zivilisten ins Fadenkreuz geraten, zum anderen könnten die Taliban ihre Stellungen festungsartig ausbauen und die Gegend verminen.

Ein Taliban-Kommandeur namens Ishaq sagte aus Marja über Mobiltelefon, seine Kämpfer seien sich darüber im Klaren, dass die Stadt das Angriffsziel sei. "Wir werden Marja definitiv verteidigen", sagte Ishaq. "Es ist der einzige Ort, der uns geblieben ist. Wir haben alle unsere Kämpfer hier zum Gefecht gegen die afghanischen und ausländischen Streitkräfte versammelt. Wir wissen, dass diese Operation viel größer sein wird als frühere. Wir sind entschlossen, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen." Nachdem Nato-Truppen, angeführt von den US-Marines, im Dezember in der Offensive "Zorn der Kobra" die Taliban systematisch aus dem Helmand-Flusstal vertrieben hatten, blieb den Aufständischen nur noch Marja.

Die Stadt ist sein Monaten vollständig in der Hand der Taliban; Marja liegt unweit der strategisch bedeutsamen Provinzhauptstadt Lashgar Gah.

Für die "Operation Moshtarak" - das Dari-Wort bedeutet "gemeinsame Operation" - sind nach Angaben von Brigadegeneral Eric Tremblay, einem Nato-Sprecher, "mindestens tausend afghanische Polizisten, mehrere Tausend afghanische Soldaten und viele Tausend Soldaten der Nato-Schutztruppe Isaf" in Stellung gebracht worden. Im Zuge der amerikanischen Truppenverstärkung um mehr als 30 000 Mann will das US-Militär die Taliban in den nächsten Monaten entscheidend besiegen. Der Sprecher des afghanischen Militärs, Brigadegeneral Zahir Azimi, sagte: "Wie ich schon viele Male gesagt habe - uns steht ein blutiger Sommer bevor." Bereits im Mai 2009 hatte die Nato Marja erobert, doch nach ihrem Abzug kehrten die Taliban zurück. General Azimi räumte ein, dass alle bisherigen Versuche, die Taliban aus Helmand zu vertreiben, gescheitert seien - weil man nicht genug Truppen gehabt habe, um die Provinz dauerhaft zu halten.

Die Isaf teilte gestern mit, dass zwei US-Soldaten bei einem Bombenanschlag in Südafghanistan ums Leben gekommen seien. Damit sind seit Jahresbeginn bereits 49 ausländische Soldaten am Hindukusch gefallen.

Fünf Monate nach dem von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff in der nordafghanischen Provinz Kundus mit bis zu 142 Toten lässt die Bundeswehr dort von Afghanen Hilfspakete für bedürftige Familien verteilen. Wie Bundeswehr-Sprecher Jürgen Mertins sagte, sollen 1200 Familien in den Distrikten Char Darah und Aliabad sowie in Kundus-Stadt ein solches Paket erhalten. Die Hilfspakete gingen auch an Familien, die bei dem Luftangriff Angehörige verloren hätten. Gegen Oberst Georg Klein, der den US-Bomberpiloten am 4. September den Angriffsbefehl erteilt hatte, prüft die Bundesanwaltschaft weiterhin die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.