Georgien wollte die Macht über Südossetien mit Gewalt zurückgewinnen. Moskau schickte seine Panzer.

Moskau/Tiflis. Das Pulverfass Kaukasus ist nach lange wachsenden Spannungen in der georgischen Konfliktregion Südossetien explodiert. Ausgerechnet am Tag der Olympia-Eröffnung in Peking mussten die Menschen in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali vor Panzern und Raketenangriffen in ihre Keller flüchten. Während sich die weltweite Aufmerksamkeit auf das Sportereignis in China richtete, kam es in der Bergregion zu einem Blutvergießen mit mehreren Hundert Toten. Der von den USA unterstützte georgische Präsident Michail Saakaschwili ließ Südossetien stürmen, weil die Region in die Arme Russlands strebt.

Durch den Beschuss mit Granaten, Raketen und Mörsern war Zchinwali innerhalb weniger Stunden in Schutt und Asche gelegt, wie Augenzeugen berichteten. Das russische Staatsfernsehen zeigte den ganzen Tag Bilder des Geschossfeuers. Das Heulen der Sirenen und die donnernden Einschläge ließen die Menschen in ihren Bunkern zusammenschrecken. Der international nicht anerkannte südossetische Präsident Eduard Kokojty sprach vom mittlerweile "dritten Völkermord an den Osseten". Der in die EU und Nato strebende Saakaschwili lobte hingegen vor einer Fahne des Europarates die begonnene Befreiung Südossetiens.

Der einstige Held der Rosenrevolution von 2003, der damals den früheren sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse aus dem Amt drängte, erschütterte westliche Beobachter am Freitag erneut mit seiner Brutalität. Das Image des smarten, in den USA ausgebildeten Juristen hatte bereits im vergangenen November Kratzer erhalten. Damals ließ der Staatschef die Massenproteste gegen seine Politik niederknüppeln.

Das unter großer Armut leidende Georgien erlebte damals einen Ausnahmezustand, vorgezogene Präsidentenwahlen, die Saakaschwili nach Meinung internationaler Beobachter vor allem durch Betrug gewann.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew sicherte den "Völkern im Kaukasus" den Schutz Moskaus zu. Zunächst hatte sein Vorgänger Wladimir Putin als Regierungschef von Peking aus das Krisenmanagement betrieben. Für einen Streit um Kompetenzen zwischen den beiden Führern des Landes war am Freitag keine Zeit. Medwedew, der für die Außenpolitik zuständig ist, versicherte nach langem Warten souverän, die Angriffe auf die "russischen Landsleute" in Südossetien nicht ungesühnt zu lassen.

Moskau hatte fast 90 Prozent der Südosseten in den vergangenen Jahren mit Pässen ausgestattet und die Region trotz Protest aus Georgien wirtschaftlich unterstützt. Saakaschwili drohte angesichts dieser "Annektierungsversuche" damit, notfalls mit militärischer Gewalt die "Separatisten" wieder in den Schoß Georgiens heimzuholen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist der Südkaukasus zu einem Spielball Russlands und der USA geworden. Beiden Seiten geht es um die Sicherung von Transportwegen etwa für Öl und Gas. Experten sehen auch ein strategisches Interesse der USA, sich Georgien als Stützpunkt für einen möglichen Angriff auf den nur einige Hundert Kilometer entfernten Iran zu sichern.

Washington hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, die in Südossetien stationierten russischen Friedenssoldaten durch EU- oder Nato-Truppen zu ersetzen. Russland warb im Westen am Freitag um Unterstützung für seine militärische Reaktion auf die georgischen Angriffe. Am Kaukasus liegt auch die Schwarzmeerstadt Sotschi, wo Moskau 2014 Olympische Winterspiele ausrichten will. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte sich bei einem Treffen mit dem von ihr geschätzten Medwedew am 15. August ein Bild von Sotschi machen - trotz des Krieges.