Kommentar

War es nun aus Naivität, dass das Internationale Olympische Komitee sich von China nur eine eingeschränkte Internet-Nutzung für die Auslandsjournalisten aufschwatzen ließ? Lag es daran, dass IOC-Präsident Jacques Rogge als Belgier in den Verhandlungen etwas überhörte, weil Englisch nicht seine Muttersprache ist? Ist trotzdem alles okay, weil China ja versprochen hat, dass alle sportbezogenen Internetseiten problemlos nutzbar sind?

Gutgläubigkeit, Fremdsprachenprobleme, die Unterscheidung in "Öffnung" und "nur ein bisschen Öffnung": Mit all diesem Wischiwaschi wollen die IOC-Verantwortlichen jetzt kaschieren, dass sie die Interessen der Medien, der Journalisten und damit der Weltöffentlichkeit schlecht vertreten haben. China, das nach dem Urteil der Experten das beste je gebaute olympische Dorf hingestellt hat, möchte die perfekten Spiele, um der Welt zu zeigen, wie weit es mit seinen Modernisierungen schon gediehen ist. Chinas Führung möchte die Spielregeln bestimmen, anstatt ihre Haltung zu ändern. Und diese Spielregeln sollen lauten: Ihr braucht doch wohl keine Tibet-Websites, um über Stabhochsprung zu berichten. Ihr müsst euch um unsere Dissidenten wirklich keine Sorgen machen, deshalb reichen für euch die Sportnachrichten. Die große "Harmonie", mit der Staatschef Hu über die wirtschaftlichen und sozialen Konflikte im Land hinwegsegeln will, soll auch auf die Auslandpresse übergreifen und eine Art Selbstzensur bewirken.

Anstatt diesen Widerspruch kundig und couragiert anzugehen, hat das IOC den Kontroll-Fanatikern in der kommunistischen Führung die Hände gereicht. Durch Wegsehen, Weghören, Ausweichen. Damit hat das IOC auch der chinesischen Bevölkerung selbst keinen Dienst erwiesen. Die Erwartung, durch die Olympics werde China zu mehr Demokratie gezwungen, hat das IOC jetzt selbst hintertrieben.